I Kunststudium Comic Strips
5 Die Antragstellerin des Hauptverfahrens, die Französin ist und deren Eltern in Frankreich wohnen, kam 1982 nach Belgien, um an der Academie Royale des Beaux-Arts in Lüttich die Fachrichtung Comic Strips im Rahmen eines vierjährigen Studiengangs des Fachbereichs Kunst zu studieren. Für das Studienjahr 1982/83 beantragte sie die Befreiung von der Studiengebühr für ausländische Studenten, die an einer Kunsthochschule studieren, in Höhe von 24 622 BFR. Mit Schreiben vom 7. Oktober 1983 teilte ihr die Academie Royale mit, ihr Antrag sei abgelehnt worden; jeder ausländische Student müsse wissen, dass das Studium nicht kostenlos sei, und sich auf die Zahlung einer Studiengebühr einrichten.
6 Aufgrund dieses ablehnenden Bescheids wurde die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens zur Zahlung der Studiengebühr für die Studienjahre 1982/83 und 1983/84 aufgefordert. Da sie die verlangten Beträge nicht rechtzeitig gezahlt hatte, wurde ihr die Einschreibung für das Jahr 1983/84 verweigert mit der Folge, dass ihre Aufenthaltsgenehmigung für Belgien nicht verlängert wurde. Aufgrund dessen rief sie den Präsidenten des Tribunal de première instance Lüttich an, um die Befreiung von der Studiengebühr und die Erteilung der für die Verlängerung ihres Aufenthalts in Belgien erforderlichen Bescheinigung zu erreichen ⇒ siehe Wikipedia (englisch).
II Schlagworte und Leitsätze
Vorabentscheidung – Freiheit des Personenverkehrs - Berufsausbildung - Kunststudium – Comic Strips - Studiengebühr
Eine Abgabe, Einschreibe- oder Studiengebühr für den Zugang zum berufsbildenden Unterricht stellt eine gegen Artikel 7 EWG-Vertrag verstoßende Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, wenn sie von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten, nicht aber von inländischen Studenten erhoben wird.
Der Begriff der Berufsausbildung umfasst den an einer Kunsthochschule erteilten Unterricht in der Fachrichtung Comic Strips, wenn der Student durch diesen Unterricht auf den Erwerb einer Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet wird oder hierdurch die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung erlangt.
III Parteien
Françoise Gravier gegen Stadt Lüttich
IV Sachverhalt
2 Die an der Academie Royale des Beaux-Arts Lüttich studierende Françoise Gravier beantragte, der Stadt Lüttich im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, von ihr die Zahlung einer minerval genannten Studiengebühr zu verlangen, die von Studenten mit belgischer Staatsangehörigkeit nicht erhoben werde. Die Stadt Lüttich verkündete dem belgischen Staat als Urheber der Runderlässe, aufgrund deren diese Studiengebühr erhoben wird, und der Communauté Française als der für den Unterricht im Fachbereich Kunst zuständigen Regionalkörperschaft den Streit.
V Nationales Recht
3 Wie sich aus den Akten ergibt, wird in Belgien gemäf3 Artikel 12 des Gesetzes vom 29. Mai 1959 zur Änderung einiger schulrechtlicher Vorschriften (Moniteur belge vom 19. Juni 1959) der Primar- und Sekundarschulunterricht im öffentlichen Schulwesen und in den subventionierten Lehranstalten kostenfrei erteilt; Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten dürfen nur geringe Einschreibegebühren erheben, die der Finanzierung ihres sozialen Dienstes dienen. In Abweichung von Artikel 12 wurde jedoch in den Gesetzen, in denen der Haushalt für das nationale Erziehungswesen festgestellt wird, seit dem Schuljahr 1976/77 der Unterrichtsminister jedes Jahr ermächtigt, eine Studiengebühr für ausländische Schüler und Studenten, deren Eltern nicht in Belgien wohnen und die staatliche oder staatlich subventionierte Unterrichtsanstalten auf Vorschul-, Primarschul-, Sonderschul-, Sekundarschul- oder Hochschulniveau mit kurzem oder langem Studiengang und technische Lehranstalten zweiten und dritten Grades besuchen, einzuführen.
4 Auf einer derartigen Rechtsgrundlage - im Streitfall Artikel 15 des Haushaltsgesetzes für das Jahr 1983 - erlegte der Unterrichtsminister durch Runderlass Nr. 83.24 G vom 30. Juni 1983 (Moniteur belge vom 3. Februar 1984) den Schülern und Studenten, die nicht die belgische Staatsangehörigkeit besitzen und die eine vom Staat getragene oder subventionierte Lehranstalt für den Fachbereich Kunst im Hauptfach besuchen, für das Jahr 1983/84 wie in den Vorjahren eine Studiengebühr auf. Nach diesem Runderlass sind ua Studenten, bei denen ein Elternteil die belgische Staatsangehörigkeit besitzt, Studenten luxemburgischer Staatsangehörigkeit sowie Studenten, deren Vater oder Mutter in Belgien wohnt, dort einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht oder gleichartige Einkünfte bzw. eine Rente bezieht und in Belgien steuerpflichtig ist, von der Studiengebühr befreit.
VI Nationales Verfahren
7 Im Verfahren vor dem Präsidenten des Tribunal de première instance zog die Antragstellerin die Gültigkeit der Runderlässe, aufgrund deren die streitige Studiengebühr erhoben wird, in Zweifel. Sie machte geltend, ihr dürfe keine Studiengebühr auferlegt werden, die von belgischen Staatsangehörigen nicht verlangt werde, da dies eine nach Artikel 7 EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstelle und da sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats als Empfänger einer Dienstleistung im Sinne des Artikels 59 EWG-Vertrag ungehindert zu Studienzwecken in Belgien aufhalten können müsse.
8 Die Stadt Lüttich, Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, bewirkte die Ausstellung einer vorläufigen Immatrikulationsbescheinigung für die Antragstellerin, so dass diese ihre Aufenthaltsberechtigung in Belgien wiedererlangen konnte. Die Antragsgegnerin vertrat im Übrigen die Auffassung, es sei Sache der Streitverkündeten, nämlich des belgischen Staates und der Communauté Française, zu den gegen die Runderlässe über die Zahlung der Studiengebühr erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.
VII Fragestellung des Europarechts
9 Das angerufene Gericht stellte die Dringlichkeit des Antrags fest und gelangte zu der Auffassung, dass der Rechtsstreit Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwerfe; es hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1) Ist nach dem Gemeinschaftsrecht davon auszugehen, dass Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die sich nur zu dem Zweck in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begeben, um dort regelmäßig an Lehrveranstaltungen einer Anstalt teilzunehmen, die einen insbesondere der Berufsausbildung dienenden Unterricht durchführt, sich gegenüber dieser Anstalt auf Artikel 7 des EWG-Vertrages vom 25. März 1957 berufen können?
2) Anhand welcher Kriterien Iässt sich, falls dies zu bejahen ist, entscheiden, ob der Unterricht in der Fachrichtung Comic Strips in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrages fällt?
10 Wie sich aus der Begründung des Vorlagebeschlusses ergibt, kann nach Auffassung des vorlegenden Gerichts der These, die Einschreibung an einer Lehranstalt wie der Academie Royale des Beaux-Arts der Stadt Lüttich müsse ebenso wie für Belgier auch für die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten kostenfrei sein, nur gefolgt werden, wenn sich die Antragstellerin, die ausschließlich zu Studienzwecken nach Belgien gekommen sei, auf die Bestimmungen des EWG-Vertrages berufen kann. Die Frage, ob Studenten als Empfänger von Dienstleistungen zu betrachten seien, werde nicht einheitlich beantwortet; selbst wenn man sie verneine, lasse sich daraus nicht folgern, dass der Zugang zur Ausbildung nicht in den Anwendungsbereich des Vertrages falle. Aus dem Urteil des Gerichtshofes 13. Juli 1983 in der Rechtssache 152/82 (Forcheri, Slg 1983, 2323) gehe nämlich hervor, dass die Erhebung einer Einschreibegebühr, die von den eigenen Staatsangehörigen nicht verlangt werde, für den Zugang von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrages fallen könne.
VIII Rechtliche Beurteilung des Höchstgerichtes
12 Der belgische Staat und die Communauté Française haben vor dem Gerichtshof vorgetragen, ausschlaggebend für die Forderung nach einer Beteiligung der ausländischen Studenten an der Finanzierung des Unterrichts sei das in Belgien seit 1976 bestehende Ungleichgewicht zwischen der Zahl der ausländischen Studenten, die in Belgien studierten, und der belgischen Studenten, die im Ausland wohnten, gewesen. Da dieses Missverhältnis schwerwiegende Folgen für den Bildungshaushalt gehabt habe, habe die belgische Regierung dazu übergehen müssen, von den Studenten, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besäßen und die im allgemeinen in Belgien keine Steuern zahlten, eine angemessene Beteiligung an den Unterrichtskosten zu verlangen. Eine solche Beteiligung sei nicht diskriminierend, sondern bewirke vielmehr eine Gleichstellung mit den belgischen Staatsangehörigen.
13 Die Kommission hat dem Gerichtshof Zahlen vorgelegt, nach denen die Mobilität der Studenten innerhalb der Gemeinschaft gering ist, Belgien jedoch der Mitgliedstaat mit dem höchsten Anteil von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten an der Gesamtstudentenzahl ist. Aus diesen Auskünften ergibt sich ferner, dass Belgien der einzige Mitgliedstaat ist, in dem von ausländischen Studenten eine Studiengebühr verlangt wird; Griechenland verlangt allerdings aus Gründen der Gegenseitigkeit von belgischen Studenten, die an griechischen Universitäten eingeschrieben sind, die Zahlung einer gleichartigen Gebühr. Nach Ansicht der Kommission stellt die Erhebung der streitigen Studiengebühr eine an die Staatsangehörigkeit der Studenten anknüpfende Ungleichbehandlung zwischen den Studenten belgischer Nationalität - unabhängig davon, ob ihre Eltern oder sie selbst Steuern in Belgien zahlen oder nicht - und den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten dar.
14 Die belgischen Rechtsvorschriften und die in Bezug auf die Erhebung der Studiengebühr verfolgte Praxis, wie sie oben dargestellt sind, zeigen, dass die Studenten mit belgischer Staatsangehörigkeit nicht für die Kosten des Kunsthochschulunterrichts aufzukommen brauchen, während die ausländischen Studenten einen Teil dieser Kosten übernehmen müssen. Die Ungleichbehandlung er-folgt also aus Gründen der Staatsangehörigkeit; dieser Feststellung steht nicht entgegen, dass es bestimmte Ausnahmen von der zwischen belgischen und ausländischen Studenten vorgenommenen Unterscheidung gibt, die zum Teil auf der Staatsangehörigkeit beruhen, wie in dem besonderen Fall der luxemburgischen Studenten, zum Teil auf anderen Kriterien wie dem, dass die Eltern ihren Wohnsitz in Belgien haben und dort steuerpflichtig sind.
15 Eine derartige Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit stellt eine nach Artikel 7 EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung dar, sofern sie in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt.
16 Die britische und die dänische Regierung haben zu diesem Punkt Bedenken vorgetragen. Ihrer Ansicht nach wirft die vorliegende Rechtssache Grundsatzfragen auf, die über die von dem belgischen Gericht vorgelegten Fragen hinausgehen. Sie widersprechen der Auffassung, wonach derjenige, der in einem anderen Mitgliedstaat studieren wolle, als Empfänger einer Dienstleistung angesehen werden könne, und tragen vor, Artikel 7 EWG-Vertrag verbiete es einem Mitgliedstaat nicht, seine eigenen Staatsangehörigen im Bildungsbereich günstiger zu behandeln, insbesondere was den Zugang zum Unterricht, Stipendien und Studienbeihilfen, andere Sozialleistungen für Studenten sowie die Beteiligung der Studenten an den Unterrichtskosten angehe. Jeder Mitgliedstaat habe insoweit seinen eigenen Staatsangehörigen gegenüber besondere Verpflichtungen.
17 Die Kommission macht dagegen in erster Linie geltend, es verstoße gegen Artikel 59 EWG-Vertrag, wenn eine Studiengebühr von Studenten, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats seien, nicht aber von einheimischen Studenten erhoben werde. Hilfsweise trägt sie vor, die Erhebung einer derartigen Gebühr stelle eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, die gegen Artikel 7 EWG-Vertrag verstoße. Die Teilnahme am berufsbildenden Unterricht werde nämlich von den Bestimmungen der Artikel 48, 52, 59 und I28 EWG-Vertrag erfasst und falle daher in den Anwendungsbereich des Vertrages.
18 Angesichts dieser unterschiedlichen Auffassungen ist zunächst die Natur des aufgeworfenen Problems zu klären. Die gestellten Fragen betreffen zunächst weder die Organisation noch die Finanzierung der Ausbildung, sondern die Errichtung eines finanziellen Hindernisses für den Zugang zur Ausbildung ausschließlich für ausländische Studenten. Ferner geht es um eine ganz bestimmte Form der Ausbildung, die in der ersten Frage als Berufsausbildung und in der zweiten als Unterricht in der Fachrichtung Comic Strips bezeichnet wird.
19 Als erstes ist hierzu festzustellen, dass die Organisation des Bildungswesens und die Bildungspolitik als solche zwar nicht zu den Materien gehören, die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterworfen hat; gleichwohl stehen der Zugang zum und die Teilnahme am Unterricht im Bildungswesen und in der Lehrlingsausbildung, insbesondere, wenn es sich um die Berufsausbildung handelt, nicht außerhalb des Gemeinschaftsrechts.
20 So schreibt Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABI. L 257, S. 2) vor, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, dort mit dem gleichen Recht und unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeitnehmer Berufsschulen und Umschulungszentren in Anspruch nehmen kann. Artikel 12 dieser Verordnung gewährleistet den Kindern eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einer Erwerbstätigkeit nachgeht, die Teilnahme am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats.
21 Für den Bereich der Berufsausbildung schreibt Artikel 128 EWG-Vertrag vor, dass der Rat allgemeine Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik aufstellt, die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen Marktes beitragen kann. Der Beschluss 63/266/EWG des Rates vom 2. April 1963 (ABI. 1963, S. 1338) über die Aufstellung dieser Grundsätze enthält einen ersten Grundsatz, in dem es heißt: Die allgemeinen Grundsätze müssen jedem einzelnen eine angemessene Ausbildung bei freier Wahl des Berufs, der Ausbildungsstätte sowie des Ausbildungs- und Beschäftigungsorts ermöglichen.
22 Die besondere Aufmerksamkeit, die die Gemeinschaftsorgane den Problemen des Zugangs zur Berufsausbildung und ihrer Verbesserung innerhalb der gesamten Gemeinschaft gewidmet haben, geht ferner hervor aus den Allgemeinen Leitlinien, die der Rat 1971 zur Ausarbeitung eines gemeinschaftlichen Tätigkeitsprogramms auf dem Gebiet der Berufsausbildung (ABI. C 81, S. 5) aufgestellt hat, aus der Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Minister für Bildungswesen vom 13. Dezember 1976 betreffend Maßnahmen zur besseren Vorbereitung der Jugendlichen auf den Beruf und zur Erleichterung ihres Übergangs von der Schule zum Berufsleben (ABI. C 308, S. 1) und aus der Entschließung des Rates vom 11. Juli 1983 über die Berufsbildungspolitik in der Europäischen Gemeinschaft während der achtziger Jahre (ABI. C 193, S. 2).
23 Die in Artikel 128 EWG-Vertrag angesprochene gemeinsame Politik im Bereich der Berufsausbildung entwickelt sich also schrittweise. Sie ist im übrigen ein unentbehrlicher Bestandteil der Tätigkeit der Gemeinschaft, zu deren Zielen unter anderem die Freizügigkeit, die Mobilität der Arbeitskräfte und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmer gehören.
24 Insbesondere der Zugang zur Berufsausbildung ist geeignet, die Freizügigkeit innerhalb der gesamten Gemeinschaft zu fördern, indem er den einzelnen die Möglichkeit gibt, eine Qualifikation in dem Mitgliedstaat zu erwerben, in dem sie ihre Berufstätigkeit ausüben wollen, sowie die Möglichkeit, in dem Mitgliedstaat, dessen berufliches Bildungswesen die entsprechende Spezialisierung anbietet, ihre Ausbildung zu vervollkommnen und ihre besonderen Fähigkeiten zu entwickeln.
25 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags fallen.
26 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass eine Abgabe, Einschreibe- oder Studiengebühr für den Zugang zum berufsbildenden Unterricht eine gegen Artikel 7 EWG-Vertrag verstoßende Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt, wenn sie von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten, nicht aber von inländischen Studenten erhoben wird.
27 Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, nach welchen Kriterien sich entscheiden lässt, ob der Unterricht in der Fachrichtung Comic Strips zum berufsbildenden Unterricht gehört.
28 Nach dem Wortlaut des Beschlusses 63/266/EWG (aaO) gelten die allgemeinen Grundsätze für die Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung für die Ausbildung Jugendlicher und Erwachsener, die für eine Berufstätigkeit bis zu mittleren Stellungen in Betracht kommen oder eine solche Tätigkeit bereits ausüben. Eine solche gemeinsame Politik soll es jedem ermöglichen, ,die zur Ausübung einer bestimmten Berufstätigkeit notwendigen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die höchstmögliche Ausbildung zu erwerben, wobei die geistige und sittliche Entwicklung, die staatsbürgerliche Erziehung und die körperliche Entwicklung insbesondere der Jugendlichen zu fördern sind.
29 Die Allgemeinen Leitlinien des Rates aus dem Jahre 1971 (aaO) nennen als Ziel der Berufsausbildung, angesichts des ständig wachsenden Bedarfs der Wirtschaft der Gesamtbevölkerung geeignete Möglichkeiten allgemeiner und beruflicher Art zur Ausbildung und Fortbildung sowie zur ständigen Weiterbildung zu bieten, damit jeder einzelne seine Persönlichkeit entfalten kann und Zugang zu einer beruflichen Laufbahn erhält.
30 Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass jede Form der Ausbildung, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleiht, zur Berufsausbildung gehört, und zwar unabhängig vom Alter und vom Ausbildungsniveau der Schüler oder Studenten und selbst dann, wenn der Lehrplan auch allgemeinbildenden Unterricht enthält.
31 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass der Begriff der Berufsausbildung den an einer Kunsthochschule erteilten Unterricht in der Fachrichtung Comic Strips umfasst, wenn der Student durch diesen Unterricht auf den Erwerb einer Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet wird oder hierdurch die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung erlangt.
IX Favorartis Kommentar
In diesem Fall geht es (noch) nicht um Kunstwerke, sondern um deren Entstehung in der Zukunft. Gemeint ist damit das Kunststudium innerhalb der Europäischen Union. Wenn eine Abgabe, Einschreibe- oder Studiengebühr für den Zugang zum berufsbildenden Unterricht von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten, nicht aber von inländischen Studenten erhoben wird, liegt eine Diskriminierung vor. ⇒ Favor artis für das Kunststudium.
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