Restaurierung

EuGH 08.07.1999 234-97

I Kunststudium Restaurierung von Kunstwerken

3  Die Klägerin ist spanische Staatsangehörige und wohnt in Madrid. Nachdem sie den Titel eines  Bachelor of Arts  in Kunstgeschichte an der Universität Boston (Vereinigte Staaten von Amerika) erworben hatte, absolvierte sie mit Hilfe eines Stipendiums des Prado ein Postgraduiertenstudium in der Restaurierung von Kunstwerken am Newcastle upon Tyne Polytechnic (Vereinigtes Königreich), bei dessen Abschluß sie 1989 den Titel  Master of Arts  erhielt.

4  Von 1989 bis 1992  arbeitete die Klägerin im Rahmen eines Zeitarbeitsvertrags für den Prado als Restauratorin von Kunstwerken auf Papier. Sie arbeitete auch für mehrere andere Werkstätten und Museen, ua für das Studio Paolo Crisistomi in Rom, das Museum Liizaro Galdiano, das spanische naturwissenschaftliche Museum, das Nationalinstitut für Chalkographie, die Königliche Akademie der schönen Künste von San Fernando und die Stiftung Focus in Sevilla.

II Schlagworte und Leitsätze

Vorabentscheidung – Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Kunststudium – Restaurierung - Berufsanerkennung

Artikel 48 EG Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) ist dahin auszulegen, dass er Bestimmungen eines in einer öffentlichen Einrichtung eines Mitgliedstaats geltenden Tarifvertrags nicht entgegensteht, die das Recht, innerhalb dieser öffentlichen Einrichtung einen bestimmten Beruf auszuüben, der nicht reglementiert im Sinne der Richtlinien 89/48 und 92/51/ Personen vorbehält, die im Besitz eines von einer Unterrichtsanstalt dieses Mitgliedstaats ausgestellten Befähigungsnachweises oder irgendeines anderen im Ausland ausgestellten und durch die zuständigen Stellen desselben Mitgliedstaats homologierten Befähigungsnachweises sind,

jedoch die für die Homologierung ausländischer Diplome zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats oder, wenn kein allgemeines Homologierungsverfahren geschaffen worden ist oder wenn dieses Verfahren den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts nicht genügt, die öffentliche Einrichtung selbst jedoch bei in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Diplomen verpflichtet sind, zu prüfen, inwieweit die durch das von dem Betroffenen erworbene Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangten entsprechen. Besteht diese Entsprechung nur teilweise, so haben die zuständigen nationalen Stellen oder gegebenenfalls die öffentliche Einrichtung auch selbst zu beurteilen, ob die von dem Betroffenen im Rahmen eines Studiengangs oder praktischer Erfahrungen erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der durch das ausländische Diplom nicht bescheinigten Kenntnisse ausreichen.

III Parteien

Teresa Fernandez de Bobadilla gegen Museo Nacional del Prado

IV Sachverhalt

7   Am 9. Oktober 1992 beantragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Homologierung ihres vom Newcastle upon Tyne Polytechnic verliehenen Titels mit dem Ziel der Gleichstellung mit dem spanischen Titel Konservator und Restaurator von Kulturgütern. Nach Prüfung ihres Antrags teilten die zuständigen Stellen des Erziehungsministeriums ihr mit Bescheid vom 9. Dezember 1993 mit, Voraussetzung für diese Homologierung sei, dass sie durch in zwei Abschnitte gegliederte Prüfungen den Besitz ausreichender Kenntnisse in den in diesem Bescheid aufgezählten 24 Fächern nachweise. Diese Prüfungen haben bis jetzt nicht stattgefunden.

8   In der Zwischenzeit wurde am 17. November 1992 vom Prado eine Stelle für einen Restaurator für Kunstwerke auf Papier zur Besetzung auf Dauer ausgeschrieben. Die Bewerbung der Klägerin wurde mit der Begründung abgelehnt, daß sie die im Tarifvertrag genannten Voraussetzungen nicht erfülle.

V Nationales Recht

5   Der Prado ist nach Artikel 1 Absatz 1 der Königlichen Verordnung Nr 1432/85 vom 1. August 1985 in der Fassung der Königlichen Verordnungen Nrn. 1142/96 und 2461/96 eine selbständige Anstalt, die dem Kulturministerium zugeordnet ist und unmittelbar dem Minister untersteht. Der Prado besitzt Rechtspersönlichkeit und Prozessfähigkeit. Zu der für das Ausgangsverfahren massgeblichen Zeit galten für ihn  ua das Gesetz über die rechtliche Stellung der selbständigen staatlichen Körperschaften sowie die Rechtsvorschriften über staatliche Museen.

6   Nach einer Bestimmung des 1988 zwischen dem Prado und der Personalvertretung geschlossenen Tarifvertrags sind Restauratorenstellen Personen vorbehalten, die im Besitz des von der Fakultät der schönen Künste, Fachrichtung Restauration, oder von der Schule für angewandte Künste für die Restauration von Kunstwerken ausgestellten Befähigungsnachweises oder eines anderen im Ausland ausgestellten und durch die zuständige Stelle anerkannten Befähigungsnachweises sind.

VI Nationales Verfahren

9   1996 erhob die Klägerin, die der Auffassung ist, dass die Aufstellung dieser Voraussetzung einen Verstoß gegen die spanische Verfassung und eine Beeinträchtigung des durch Artikel 48 des Vertrages geschützten Rechts auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstelle, eine Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Bestimmung beim nationalen Gericht.

VII Fragestellung des Europarechts

10  Der Juzgado de lo Social Nr. 4 Madrid hat Zweifel daran, wie Artikel 48 des Vertrages auszulegen ist, und hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Verstösst eine Bestimmung im Tarifvertrag einer selbständigen Einrichtung des spanischen Staates, die für die Ausübung des Berufes eines Restaurators (eines nichtreglementierten Berufes) die vorherige Homologierung des in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft erworbenen Universitätsdiploms verlangt, die in einem Vergleich der Studienpläne Spaniens mit denjenigen des anderen Landes und einem Befähigungsnachweis mittels theoretischer und praktischer Prüfungen in den Fächern des spanischen Studienplans, die im Studienplan des betreffenden anderen Mitgliedstaats der Gemeinschaft nicht berücksichtigt sind, besteht, gegen das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer ?

VIII Rechtliche Beurteilung des Höchstgerichtes

11   Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einer öffentlichen Einrichtung wie dem Prado nicht, die Vergabe einer Stelle von dem Besitz eines oder mehrerer Befähigungsnachweise abhängig zu machen, durch die die Fähigkeit des Bewerbers zur Wahrnehmung dieser Stelle nachgewiesen werden soll, jedoch unter der Voraussetzung, daß dieses Erfordernis kein nicht gerechtfertigtes Hindernis für die tatsächliche Ausübung der durch Artikel 48 des Vertrages gewährleisteten Grundfreiheiten darstellt.

12   Öffentliche Einrichtungen sind darüber hinaus verpflichtet, die Bestimmungen der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABI. 1989, L 19, S. 16), und der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48 (ABI. L 209, S. 25) zu beachten.

13   Das vorlegende Gericht führt aus, der Beruf des Restaurators von Kulturgütern sei in Spanien nicht reglementiert, da er zum einen im Verzeichnis der Berufe, die durch die spanischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinien 89/48 und 92/51 erfasst würden, nicht verzeichnet sei und da es zum anderen keine Richtlinie gebe, die diesen Beruf spezifisch regele. Darüber hinaus reiche die Aufstellung bestimmter Erfordernisse oder Bedingungen für den Zugang zu einer bestimmten beruflichen Tatigkeit nach einem Urteil des spanischen Verfassungsgerichtshofes (Urteil vom 6. Juli 1989 in der Rechtssache 122/89) nicht aus, um aus dieser Tatigkeit einen reglementierten Beruf zu machen.

14   Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Definition des Begriffes reglementierter Beruf  im Sinne der Richtlinien 89/48 und 92/51 unter das Gemeinschaftsrecht fällt.

15   Daher ist zunächst festzustellen, ob der Umstand, daß eine öffentliche Einrichtung eines Mitgliedstaats das Recht, bei ihr einen bestimmten Beruf auszuüben, aufgrund eines Tarifvertrags Bewerbern vorbehält, die im Besitz eines von einer in diesem Mitgliedstaat gelegenen Lehranstalt ausgestellten Befähigungsnachweisesoder eines im Ausland ausgestellten und von der zuständigen nationalen Stelle als gleichwertig anerkannten Befähigungsnachweises sind, impliziert, daß dieser Beruf als reglementiert im Sinne der Richtlinie 89/48 und 92/51 anzusehen ist.

16   Aus Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48 und aus Artikel 1 Buchstabe f der Richtlinie 92/51 geht hervor, dass ein reglementierter Beruf aus einer beruflichen Tätigkeit besteht, deren Aufnahme oder Ausübung direkt oder indirekt rechtlich, also durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, geregelt ist (siehe Urteil vom 1. Februar 1996 in der Rechtssache C-164194, Aranitis, Slg. 1996, 1-135, Randnr. 18).

17   Die Aufnahme oder Ausübung eines Berufes muß dann als direkt rechtlich geregelt angesehen werden, wenn die Rechts- oder Verwalmngsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats eine Regelung enthalten, durch die die betreffende berufliche Tätigkeit ausdrücklich Personen vorbehalten wird, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, während die Aufnahme dieser Tätigkeit denjenigen versagt wird, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen (siehe Urteil Aranitis, a. a. O., Randnr. 19).

18   Wie der Generalanwalt in Nummer 23 seiner Schlussanträge festgestellt hat, schliessen die Sozialpartner in den Rechtssystemen zahlreicher Mitgliedstaaten Tarifverträge über die Arbeitsbedingungen eiiischliefllich der Bedingungen des Zugangs zur Beschäftigung, die nicht nur für die Unterzeichner und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sie vertreten, sondern auch für Dritte verbindlich sind oder aber Wirkungen gegenüber Dritten erzeugen.

19   Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann ein Mitgliedstaat es den Sozialpartnern überlassen, die mit den Gemeinschaftsrichtlinien verfolgten Ziele auf dem Weg über Tarifverträge zu verwirklichen, wobei der Staat jedoch stets gehalten bleibt, seine Verpflichtung, die vollständige Umsetzung der Richtlinien sicherzustellen, dadurch zu erfüllen, dass er gegebenenfails geeignete Magnahmen erlässt (Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 143/83, Kommission/ Dänemark, Slg. 1985, 427, Randnrn. 8 und 9).

20   Auch können die Bestimmungen eines Tarifvertrags, der die Aufnahme oder die Ausübung eines Berufes allgemein regelt,  Rechts- oder Verwaltungsvorschriften  im Sinne des Artikels 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48 und des Artikels 1 Buchstabe f der Richtlinie 92/52 darstellen, und zwar insbesondere wenn diese Lage auf einer auf nationaler Ebene festgelegten einheitlichen Vorgehensweise der Verwaltung beruht.

21   Wie die finnische Regierung vorgetragen hat, würde es im übrigen auch die praktische Wirksamkeit der Richtlinien 89/48 und 92/51 beeinträchtigen, wenn sie in den durch Tarifverträge geregelten Bereichen keine Geltung hätten.

22   Sodann ist zu prüfen, ob ein Tarifvertrag die Aufnahme oder die Ausübung eines Berufes allgemein regelt. Sind die Bestimmungen eines zwischen einer öffentlichen Einrichtung wie dem Prado und den Vertretern der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer geschlossenen Tarifvertrags denjenigen anderer Tarifverträge ähnlich, die individuell von anderen gleichartigen öffentlichen Einrichtungen geschlossen worden sind, und beruhen die Bestimmungen dieser Verträge darüber hinaus auf einer auf nationaler Ebene festgelegten einheitlichen Vorgehensweise der Verwaltung, so könnte der Anwendungsbereich dieser Verträge als so allgemein angesehen werden, dass ihre Bestimmungen als Reglementierung einer beruflichen Tatigkeit im Sinne der Richtlinien 89/48 und 92/51 qualifiziert werden könnten.

23   Dagegen werden die Bestimmungen eines Tarifvertrags, der nur die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern innerhalb einer einzigen öffentlichen Einrichtung regelt, in den meisten Fällen keinen Anwendungsbereich haben, der so allgemein ist, dass die betroffenen beruflichen Tatigkeiten als reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinien 89/48 und 92/51 qualifiziert werden könnten.

24   Nach alledem wird es Sache des vorlegenden Gerichts sein, den Umfang des Anwendungsbereichs der Vorschrift zu prüfen, wonach die Bewerber um eine Stelle als Restaurator von Kulturgütern im Besitz von spanischen Diplomen oder von im Ausland erteilten und von der zuständigen nationalen Stelle als gleichwertig wertig anerkannten Befähigungsnachweises sein müssen, um festzustellen, ob der Zugang zu diesem Beruf oder seine Ausübung in Spanien im Sinne der Richtlinien 89/48 und 92/31 reglementiert ist.

25   Stellt das vorlegende Gericht fest, dass dieser Beruf in Spanien reglementiert ist, so wird es dann zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß entweder die Richtlinie 89/48 oder die Richtlinie 92/51 in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit Anwendung findet.

26   Ist das nationale Gericht der Auffassung, dass eine dieser beiden Richtlinien Anwendung findet, so wird es anschließend prüfen müssen, ob die Klägerin des Ausgangsverfahrens die in der betreffenden Richtlinie angegebenen Voraussetzungen erfüllt, um festzustellen, ob sie sich um eine auf Dauer zu besetzende Stelle eines Restaurators von Kulturgütern bewerben kann.

27   Wenn die Richtlinie 89/48 oder die Richtlinie 92/51 anwendbar ist, so kann eine öffentliche Anstalt eines Mitgliedstaats, die verpflichtet ist, die Vorschriften der betreffenden Richtlinie zu beachten, keine Homologierung der Befähigungsnachweise eines Bewerbers durch die zuständigen nationalen Stellen mehr verlangen.

28   Ist der betreffende Beruf kein reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinien 89/48 und 92/51, so verwehrt das Gemeinschaftsrecht es einer öffentlichen Einrichtung eines Mitgliedstaats grundsätzlich nicht, den Zugang zu einer Stelle Bewerbern vorzubehalten, die im Besitz eines von einer Lehranstalt dieses Mitgliedstaat ausgestellten Befähigungsnachweises oder irgendeines anderen im Ausland ausgestellten und von den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats homologierten Befähigungsnachweises sind. Jedoch muß bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Diplom das Homologierungssverfahren den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts entsprechen.

29   Der Gerichtshof hat bereits Gelegenheit gehabt, die Voraussetzungen zu benennen, die von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats zu beachten sind, bei denen die Zulassung zu einem Beruf beantragt worden ist, dessen Aufnahme nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation abhängt, und zwar insbesondere im Urteil vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-340/89 (Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357).

30   Anders als in der Rechtssache Vlassopoulou geht es hier im Ausgangsverfahren um eine spanische Staatsangehörige, die ihren Beruf in Spanien auszuüben sucht. Befindet sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats jedoch aufgrund derTatsache, daß er rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats gewohnt und dort eine berufliche Qualifikation erworben hat, gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat in einer Lage, die mit derjenigen eines Wanderarbeitnehmersvergleichbar ist, so muß er ebenfalls in den Genuß der durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten kommen (siehe in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, Randnrn. 15 und 16).

31   Aus Randnummer 16 des Urteils Vlassopoulou geht hervor, daß die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die der Betroffene etworben hat, um den gleichen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, in der Weise zu berücksichtigen haben, daß sie die durch diese Diplome bescheinigten Fachkennmisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen.

32   Führt diese vergleichende Prüfung zu der Feststellung, dass die durch das in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den nationalen Rechtsvorschriften verlangten entsprechen, so haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats anzuerkennen, daß dieses Diplom die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen erfüllt.

Ergibt der Vergleich dagegen, daß diese Kenntnisse und Fähigkeiten einander nur teilweise entsprechen, so können die zuständigen Behörden von dem Betroffenen den Nachweis verlangen, daß er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat (Urteil Vlassopoulou, a. a. O., Randnr, 19).

33   Insoweit müssen die zuständigen nationalen Behörden beurteilen, ob die im Rahmen eines Studiengangs oder praktischer Erfahrungen erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der fehlenden Kennmisse ausreichen (siehe in diesem Sinne Urteil Vlassopoulou, a. a. O., Randm 20).

34   Ist vom Aufnahmemitgliedstaat kein allgemeines Homologierungsverfahren auf nationaler Ebene geschaffen worden oder entspricht dieses Verfahren nicht den in den Randnurnrnern 29 bis 33 dieses Urteils angegebenen Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts, so hat die öffentliche Einrichtung, die eine Stelle zu besetzen sucht, selbst zu prüfen, ob das von dem Bewerber in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Diplom, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Berufserfahrung, als dem geforderten Befähigungsnachweis gleichwertig anzusehen ist.

35   Diese Verpflichtung gilt um so mehr, wenn die betroffene öffentliche Einrichtung wie im Ausgangsverfahren dem Bewerber ein Stipendium für die Fortsetzung seines Studiums in einem anderen Mitgliedstaat gewährt und ihn bereits vorübergehend auf der zu besetzenden Stelle beschäftigt hat. In einem solchen Fall befindet sich die öffentliche Einrichtung nämlich in einer idealen Stellung für die Beurteilung der tatsächlichen Fähigkeiten des Bewerbers im Verhältnis zu Bewerbern mit einem inländischen Diplom; in einer solchen Stellung befand sich auch der Prado bei der Beurteilung der Befähigung der Klägerin für die Wahrnehmung einer Stelle einer Restauratorin für Kulturgüter.

36   Nach alledem ist auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß Artikel 48 des Vertrages dahin auszulegen ist, dass

- er Bestimmungen eines in einer öffentlichen Einrichtung eines Mitgliedstaats geltenden Tarifvertrags nicht entgegensteht, die das Recht, innerhalb dieser öffentlichen Einrichtung einen bestimmten Beruf auszuüben, der nicht reglementiert im Sinne der Richtlinien 89/48 und 92/51ist, Personen vorbehält, die im Besitz eines von einer Unterrichtsanstalt dieses Mitgliedstaan ausgestellten Befähigungsnachweises oder irgendeines anderen im Ausland ausgestellten und durch die zuständigen Stellen desselben Mitgliedstaats homologierten Befähigungsnachweises sind,

jedoch die für die Homologierung ausländischer Diplome zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats oder, wenn kein allgemeines Anerkennungsverfahren geschaffen worden ist oder wenn dieses Verfahren den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts nicht genügt, die öffentliche Einrichtung selbst bei in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Diplomen verpflichtet sind, zu prüfen, inwieweit die durch das von dem Betroffenen erworbene Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangten entsprechen. Besteht diese Entsprechung nur teilweise, so haben die zuständigen nationalen Stellen oder gegebenenfalls die öffentliche Einrichtung auch selbst zu beurteilen, ob die von dem Betroffenen irn Rahmen eines Studiengangs oder praktischer Erfahrungen erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der durch das ausländische Diplom nicht bescheinigten Kenntnisse ausreichen.

IX Favorartis Kommentar

Die Richtlinien 89/48/EWG und 92/51/EWG wurden mittlerweile durch die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtline) ersetzt. Die Richtlinie zur Berufsanerkennung wurde mit dem Ziel geschaffen, die bis dahin existierenden, 15 verschiedenen sektoralen, allgemeinen und koordinierenden Richtlinien zur Berufsanerkennung zu konsolidieren und vereinfachen. Sie wurde zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/55/EU, die eine automatische Anerkennung der Berufsqualifikationen für bestimmte Berufe und eine Anerkennung durch den Europäischen Berufsausweis für einige andere Berufe einführte. Siehe dazu mehr in Wikipedia.

Der in der obigen Entscheidung herausgearbeitete Unterschied zwischen reglementierten und nicht reglementierten Berufen ist nach wie vor relevant. Favor artis bleibt unbekannt, denn es sind keine Informatiionen darüber verfügbar, wie das Verfahren am Juzgado de lo Social Nr. 4 Madrid geendet hat.

X Hinweise zu dieser Webseite

  1. Die Entscheidung kann über die EUR-Lex Startseite (zB als PDF in deutscher Sprache bei Eingabe der Geschäftszahl) abgerufen werden. Der hier veröffentlichte Text folgt dieser Version, da laut Beschluß 2011/833/EU die in EUR-Lex veröffentlichten Rechtsdokumente weiterverwendet werden dürfen.
  2. Die in den Abschnitten I und IV bis VIII vor Beginn von Absätzen eingefügten Zahlen 1 bis 36 entsprechen den Randnummern im Urteilstext des EuGH.
  3. Die Entscheidung kann auch über die Website des Gerichtshofes (bei Eingabe der ECLI-Zitierung) abgerufen werden.
  4. Das angeführte Zitat aus Wikipedia (zur RL 2005/36/EG)) (mit Quellenangaben) erfolgt im angeführten Umfang zur Erläuterung des Inhaltes der Webseite.
  5. Personenbezogene Daten, die über die Veröffentlichung der Entscheidung hinausgehen, ergeben sich nicht.

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