Museumseintritt

EuGH 15.03.1994 45-93

I Eintritt in staatliche Museen

1  Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 16. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 7 und 59 EWG-Vertrag verstoßen hat, dass es eine Regelung anwendet, nach der nur spanische Staatsbürger, in Spanien ansässige Ausländer und Personen aus anderen Mitgliedstaaten der EWG, die jünger als 21Jahre sind, kostenlosen Eintritt in die staatlichen Museen erhalten, während die Bürger der übrigen Mitgliedstaaten, die älter als 21Jahre sind, eine Eintrittsgebühr entrichten müssen.

II Schlagworte und Leitsatz

Vertragsverletzung – Freiheit des Dienstleistungsverkehrs – Inanspruchnahme von Dienstleistungen staatlicher Museen - - Museumseintritt

Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 7 und 59 EWG-Vertrag verstoßen, dass es eine Regelung anwendet, nach der nur spanische Staatsbürger, in Spanien ansässige Ausländer und Personen aus anderen Mitgliedstaaten der EWG, die jünger als 21 Jahre sind,kostenlosen Eintritt in die staatlichen Museen erhalten, während die Bürger der übrigen Mitgliedstaaten, die älter als 21 Jahre sind, eine Eintrittsgebühr entrichten müssen,

III Parteien

Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien wegen Vertragsverletzung

IV Nationales Recht

2 Artikel 22 des Königlichen Dekrets Nr. 620/1987 vom 10. April 1987 betreffend die Regelung über die staatlichen Museen und über das spanische Museumswesen (im weiteren: die Regelung) sieht in Absatz 1 vor, dass spanische Staatsbürger die staatlichen Museen unter den vom Ministerrat festgelegten Voraussetzungen und in jedem Fall an vier Tagen im Monat, an je einem Tag pro Woche, kostenlos besuchen können. Artikel 22 Absatz 3 ermächtigt dann die Regierung, durch Beschluss des Ministerrates die in Absatz 1 niedergelegten Voraussetzungen für den öffentlichen Zugang auf die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zu erstrecken.

3  Aufgrund der Beschlüsse des Ministerrates vom 7. Dezember 1982 und vom 21. Februar 1986 gilt der kostenlose Eintritt in die staatlichen Museen außer für spanische Staatsbürger auch für in Spanien ansässige Ausländer und für Personen unter 21 Jahren.

V Rechtliche Beurteilung des Höchstgerichtes

4   Die Kommission ist der Auffassung, diese Regelung verstoße insofern gegen die Artikel 7 und 59 EWG-Vertrag, als sie einerseits die spanischen Staatsangehörigen und andererseits die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten, die nicht in Spanien ansässig und älter als 21 Jahre seien, ungleich behandele.

5   Nach dem Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 186/87 (Cowan, Slg. 1989, 195) schließe der freie Dienstleistungsverkehr gemäß Artikel 59 EWG Vertrag die Freiheit der Dienstleistungsempfänger, einschließlich der Touristen, ein, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Diese Freiheit umfasse nicht nur den Zugang zu den Dienstleistungen im Sinne des EWG-Vertrags, sondern auch alle damit im Zusammenhang stehenden Vergünstigungen, die einen Einfluss auf die Bedingungen hätten, unter denen diese Dienstleistungen erbracht oder empfangen wurden.

6   Da der Besuch von Museen einer der maßgeblichen Gründe dafür sei, dass Touristen als Dienstleistungsempfänger einen Mitgliedstaat besuchten, bestehe ein enger Zusammenhang zwischen der ihnen nach dem EWG-Vertrag zustehenden Freizügigkeit und den Bedingungen des Zugangs zu Museen.

7   Weiter könne eine Diskriminierung im Hinblick auf den Zugang zu den Museen Einfluss auf die Bedingungen der Erbringung der Dienstleistungen einschließlich deren Kosten und damit auf die Entscheidung bestimmter Personen, das Land zu besuchen, haben.

8   Das Königreich Spanien macht nur geltend, die in Frage stehende Regelung sei nicht diskriminierend, da der genannte Artikel 22 Absatz 3 ausdrücklich erlaube, die den spanischen Staatsbürgern eingeräumte Behandlung auf die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten zu erstrecken.

9   Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Während sich nämlich für die spanischen Staatsangehörigen die Kostenfreiheit des Eintritts in die Museen unmittelbar aus der Regelung ergibt, können Ausländer diese Vergünstigung nur aufgrund eines Beschlusses des Ministerrates erhalten. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung hatte der Ministerrat jedoch von der ihm nach Artikel 22 Absatz 3 zustehenden Befugnis keinen Gebrauch gemacht, so dass nur die in Spanien ansässigen Ausländer und Personen unter 21 Jahren kostenfreien Eintritt in die spanischen Museen erhielten.

10   Die spanische Regelung über den Zugang zu den staatlichen Museen enthält demgemäßeine Diskriminierung allein der ausländischen Touristen, die älter als 21 Jahre sind; diese verstößt hinsichtlich der Gemeinschaftsangehörigen gegen die Artikel 7 und 59 EWG-Vertrag, und das Königreich Spanien hat deshalb gegenseine Verpflichtungen aus diesen Artikeln verstoßen.

VI Favorartis Kommentar

Kurz und bündig hat der EuGH hier die Vertragsverletzung durch das Königreich Spanien festgestellt. Bereits davor (siehe die in der Entscheidung zitierte Rechtssache Cowan 186/87) und auch danach (siehe etwa die Rechtssache Kommission gegen Italien 388/01 -  hier als  PDF in deutscher Sprache) wurde judiziert, dass Touristen passiv Dienstleistungen in Anspruch nehmen und bei staatlichen Museen, aber auch Gärten, Galerien, Denkmälern, Ausgrabungsstätten oder Parkanlagen Diskriminierungen über begünstigte Entritte für Einhiemische unzulässig sind. Der Tenor der (späteren)  Entscheidung 388/01  lautet:

Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 12 EG und 49 EG verstoßen, dass sie von lokalen oder dezentralen Einrichtungen des Staates gewährte diskriminierende Tarifvorteile für den Zugang zu öffentlichen Museen, Denkmälern, Galerien, antiken Ausgrabungsstätten sowie Parkanlagen und Gärten mit Denkmalcharakter ihren Staatsangehörigen oder den im Gebiet der die fragliche kulturelle Anlage betreibenden Stelle Ansässigen von mehr als 60 oder 65 Jahren vorbehalten hat und somit Touristen, die Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten sind, oder Gebietsfremde, die dieselben objektiven Altersvoraussetzungen erfüllen, von diesen Vorteilen ausgeschlossen hat

Siehe zur Rechtslage in Österreich nach Inkrafttreten des Dienstleistungsgesetzes BGBl I Nr 100/2011 die Veröffentlichung in  Konsument 8/12 vom 26.07.2012. 

Favor artis also für Touristen, die staatliche Museen, aber auch Gärten, Galerien, Denkmäler oder Ausgrabungsstätten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union besuchen.

VII Hinweise zu dieser Webseite

  1. Die Entscheidung kann über die EUR-Lex Startseite (zB als PDF in deutscher Sprache bei Eingabe der Geschäftszahl) abgerufen werden. Der hier veröffentlichte Text folgt dieser Version, da laut Beschluß 2011/833/EU die in EUR-Lex veröffentlichten Rechtsdokumente weiterverwendet werden dürfen.
  2. Die in den Abschnitten I und IV bis V vor Beginn von Absätzen eingefügten Zahlen 1 bis 10 entsprechen den Randnummern im Urteilstext des EuGH.
  3. Die Entscheidung kann auch über die Website des Gerichtshofes (bei Eingabe der ECLI-Zitierung) abgerufen werden
  4. Das angeführte Zitat  aus dem Konsument (mit Quellenangabe) erfolgt im angeführten Umfang zur Erläuterung des Inhaltes der Webseite.
  5. Personenbezogene Daten, die über die Veröffentlichung der Entscheidung hinausgehen, ergeben sich nicht.

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