I Parodie durch Werbung

Hustler Magazine, Inc. gegen Falwell, 485 U.S. 46 (1988), war eine wegweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, die besagt, dass der 1. und 14. Zusatzartikel zur Verfassung Vereinigten Staaten von Amerika es Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verbietet, Schadenersatz für das Delikt der vorsätzlichen Zufügung von seelischem Leid (Intentional infliction of emotional distress - IIED) zu erhalten, wenn das seelische Leid durch eine Karikatur, Parodie oder Satire auf die Person des öffentlichen Lebens verursacht wurde, die eine vernünftige Person nicht als Faktum interpretiert hätte.
In einer 8:0-Entscheidung entschied das Gericht zugunsten des Hustler-Magazins und urteilte, dass eine in der Zeitschrift veröffentlichte Parodie einer Werbung, die den Fernsehprediger und politischen Kommentator Jerry Falwell Sr. als inzestuösen Betrunkenen darstellte, eine geschützte Meinungsäußerung war, da Falwell eine öffentliche Person war und die Parodie vernünftigerweise nicht als glaubwürdig angesehen werden konnte. Daher entschied das Gericht, dass das seelische Leid, das Falwell durch die Werbung zugefügt wurde, kein ausreichender Grund war, den Schutz des 1. Zusatzartikel zur Verfassung für Äußerungen zu verweigern, die Beamte und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kritisieren. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Haftung für Beleidigungen können für Ansprüche, die sich aus Meinungsäußerungen ergeben, nicht umgangen werden, indem hilfsweise eine These der deliktischen Haftung für seelische Leid geltend gemacht wird.
Siehe zum Rechtsstreit den Eintrag im englischsprachigen Wikipedia und den weiteren Hinweis auf die Verfilmung, die Gegenstand der Webseite The People vs Larry Flynt ist.
II Schlagworte
Verfassungsrecht - First Amendment - Meinungsfreiheit - Persönlichkeitsrecht - Werbung - Parodie
III Parteien
Antragsteller Hustler Magazine, Inc., ein seit 1974 monatlich erscheinendes US-amerikanisches Männermagazin v Antragsgegner Jerry Lamon Falwell (* 11. August 1933 in Lynchburg, Virginia; † 15. Mai 2007 ebenda, ein US-amerikanischer baptistisch-fundamentalistischer Pastor und Fernsehprediger. Siehe die Einträge im deutschsprachigen Wikipedia zu Hustler und Jerry Falwell mit den jeweiligen Hinweisen auf den gegenständlichen Rechtsstreit.
IV Sachverhalt
1 Der Antragsteller Hustler Magazine, Inc., ist ein Magazin mit landesweiter Verbreitung. Der Antragsgegner Jerry Falwell, ein landesweit bekannter Prediger, der als Kommentator für Politik und öffentliche Angelegenheiten aktiv war, verklagte den Antragsteller und seinen Herausgeber, den weiteren Antragsteller Larry Flynt, auf Schadenersatz wegen Verletzung der Privatsphäre …, Verleumdung und vorsätzlicher Zufügung von seelischem Leid. Das Bezirksgericht entschied gegen den Antragsgegner (Falwell) wegen Verletzung der Privatsphäre und legte die beiden anderen Ansprüche einer Jury vor. Die Jury entschied zur Verleumdungsklage für die Antragsteller (Hustler und Flynt), aber über die Klage wegen vorsätzlicher Zufügung von emotionalem Leid für den Antragsgegner (Falwell) und sprach ihm Schadenersatz zu. Wir prüfen nun, ob dieses Schadenersatzurteil mit dem 1. und 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbar ist.
2 Die Innenseite der Novemberausgabe 1983 des Hustler Magazine zeigte eine Parodie einer Werbung für Campari Liqueur, die den Namen und das Bild des Antragsgegners (Falwell) enthielt und den Titel Jerry Falwell spricht über sein erstes Mal trug. Diese Parodie wurde gemäß aktuellen Campari-Werbungen gestaltet, die Interviews mit verschiedenen Prominenten über ihr erstes Mal enthielten. Obwohl es am Ende jedes Interviews offensichtlich war, dass dies das erste Mal bedeutete, dass sie Campari probierten, spielten die Werbungen eindeutig auf die sexuelle Doppeldeutigkeit des allgemeinen Themas erste Male an. Die Redakteure von Hustler kopierten die Form und das Layout dieser Campari-Werbungen und wählten den Antragsgegner (Falwell) für die Rolle des Prominenten aus und entwarfen ein angebliches Interview mit ihm, in dem er angibt, dass er bei seinem ersten Mal in betrunkenem Zustand Inzest mit seiner Mutter in einem Toilettenhäuschen hatte. Die Hustler-Parodie stellt den Antragsgegner (Falwell) und seine Mutter als betrunken und unmoralisch dar und legt nahe, dass der Antragsgegner (Falwell) ein Scheinheiliger sei, der nur predigt, wenn er betrunken ist. Im Kleingedruckten am unteren Rand der Seite enthält die Werbung den Haftungsausschluss Ad-Parodie - nicht ernst zu nehmen. Das Inhaltsverzeichnis des Magazins weist die Werbung auch als Fiktion; Werbe- und Persönlichkeitsparodie aus.
V Gang des Verfahrens
3 Kurz nachdem die November-Ausgabe von Hustler der Öffentlichkeit zugänglich wurde, reichte der Antragsgegner (Falwell) die Klage beim United States District Court for the Western District of Virginia gegen Hustler Magazine, Inc., Larry C. Flynt und Flynt Distributing Co., Inc. ein. Der Antragsgegner (Falwell) brachte vor, dass ihn die Parodie der Werbung im Hustler zu Schadenersatz wegen Verleumdung, Verletzung der Privatsphäre und vorsätzlicher Zufügung von seelischem Leid berechtige. Der Fall wurde vor Gericht gebracht. Am Ende der Beweisaufnahme erließ das Bezirksgericht ein Urteil zugunsten der Antragsteller (Hustler und Flynt) wegen Verletzung der Privatsphäre. Die Jury entschied dann gegen den Antragsgegner (Falwell) wegen der Verleumdung und stellte insbesondere fest, dass die Ad-Parodie vernünftigerweise nicht so verstanden werden kann, dass sie tatsächliche Fakten über [den AG] oder tatsächliche Ereignisse, an denen [er] teilgenommen hat, beschreibt. … Die Jury entschied aber für den Antragsgegner (Falwell) wegen der vorsätzlichen Zufügung von seelischem Leid und erklärte, dass ihm 100.000 US-Dollar Schadenersatz sowie jeweils 50.000 US-Dollar Strafzuschlag durch die Antragsteller (Hustler und Flynt) zugesprochen werden sollten. …
4 In der Berufung bestätigte das Bundesberufungsgericht für den 4. Bezirk das Urteil gegen die Antragsteller (Hustler und Flynt). Falwell gegen Flynt, 797 F.2d 1270 (1986). Das Gericht wies das Argument der Antragsteller (Hustler und Flynt) zurück, dass der Standard der böswilligen Absicht aus New York Times Co. v. Sullivan, 376 U.S. 254 (1964), erfüllt sein muss, damit der Antragsgegner (Falwell) wegen seelischem Leid entschädigt werden kann. Das Gericht stimmte dem zu, weil der Antragsgegner (Falwell) zugegebenermaßen eine Person des öffentlichen Lebens ist und diesfalls die Antragsteller (Hustler und Flynt) Anspruch auf das gleiche Maß an Schutz aus dem 1. Zusatzartikel zur Verfassung in der Klage wegen vorsätzlicher Zufügung von seelischem Leid haben, das sie in der Klage des [AG] wegen Verleumdung erhalten. 797 F.2d, bei 1274. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine wörtliche Anwendung der Böswilligkeits-Regel im Zusammenhang mit einer Klage wegen zugefügten seelischen Leids sachgemäß ist. Nach Ansicht des Gerichts betonte die Entscheidung in New York Times die verfassungsrechtliche Bedeutung nicht der Unrichtigkeit der Aussage oder der Missachtung der Wahrheit durch den Beklagten, sondern des erhöhten Maßes an Schuld, das im Erfordernis des Wissens . . . oder des rücksichtslosen Verhalten besteht. Hier wird der New York Times-Standard [485 U.S. 46, 50] durch die gesetzliche Anforderung und die Feststellung der Jury erfüllt, dass die Beklagten vorsätzlich oder rücksichtslos gehandelt haben. Das Berufungsgericht wies sodann die Behauptung zurück, dass die Werbung eine Meinungsäußerung sei, die durch den 1 Zusatzartikel zur Verfassung geschützt sei, wenn die Jury festgestellt habe, dass die Ad-Parodie keine tatsächlichen Fakten über den Antragsgegner (Falwell) beschreibe. Wie das Gericht es ausdrückte, wäre dies irrelevant, da es darum ginge, ob die Veröffentlichung [der Werbung] schmählich genug war, um eine absichtliche Zufügung von seelischen Leid darzustellen. Id., bei 1276. Die Antragsteller (Hustler und Flynt) reichten daraufhin einen Antrag auf Wiederaufnahme der Verhandlung en banc ein, der jedoch vom Gericht abgelehnt wurde. Angesichts der Bedeutung der damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen haben wir die Revision zugelassen. 480 U.S. 945 (1987).
VI Rechtliche Beurteilung des Höchstgerichtes
5 Dieser Fall stellt uns vor eine neue Frage, die die Maßgaben der Berechtigung eines Staates durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung betrifft, seine Bürger vor der absichtlichen Zufügung von seelischem Leid zu schützen. Wir müssen entscheiden, ob eine Person des öffentlichen Lebens Schadenersatz für seelisches Leid erhalten kann, das durch die Veröffentlichung einer für sie beleidigenden und in den Augen der meisten zweifellos grob und abstoßenden Werbungsparodie verursacht wurde. Der Antragsgegner (Falwell) möchte, dass wir feststellen, dass das staatliche Interesse, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor seelischem Leid zu schützen, ausreicht, um den Schutz für Meinungsäußerungen aus dem 1. Zusatzartikel zur Verfassung zu verweigern, die offensichtlich beleidigend sind und seelische Verletzungen verursachen, selbst wenn diese Meinungsäußerungen vernünftigerweise nicht so interpretiert werden konnten, dass tatsächliche Fakten über die betreffende Person des öffentlichen Lebens angegeben werden. Das weisen wir zurück.
6 Im Mittelpunkt des 1. Zusatzartikels zur Verfassung steht die Anerkennung der grundlegenden Bedeutung des freien Flusses von Ideen und Meinungen zu Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und öffentlichen Angelegenheiten. [D]ie [485 U.S. 46, 51] Freiheit, seine Meinung zu äußern, ist nicht nur ein Aspekt der individuellen Freiheit - und damit ein Gut für sich selbst -, sondern auch wesentlich für das gemeinsame Streben nach Wahrheit und die Lebendigkeit der Gesellschaft als Ganzes. Bose Corp. gegen Consumers Union of United States, Inc., 466 U.S. 485, 503 -504 (1984). Wir haben daher besonders darauf geachtet, dass individuelle Äußerungen von Ideen frei von staatlich verhängten Sanktionen bleiben. Der 1. Zusatzartikel zur Verfassung erkennt so etwas wie eine falsche Idee nicht an. Gertz gegen Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 339 (1974). Wie Richter Holmes schrieb: Wenn die Menschen erkannt haben, dass die Zeit viele widerstreitenden Glaubensrichtungen erschüttert hat, können sie umso mehr an die Grundlagen ihres eigenen Verhaltens glauben, wonach das ultimativ gewünschte Gute besser durch den freien Austausch von Ideen erreicht wird - dass der beste Test der Wahrheit die Kraft der Gedanken ist, die sich im Wettbewerb des Marktes durchzusetzen . . ." Abrams v. United States, 250 U.S. 616, 630 (1919) (abweichende Meinung).
7 Die Art von robuster politischer Debatte, die durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung gefördert wird, wird zwangsläufig zu Meinungen führen, die kritisch gegenüber denjenigen sind, die ein öffentliches Amt innehaben oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sind, die eng in die Lösung wichtiger öffentlicher Fragen involviert sind oder aufgrund ihres Ruhms Ereignisse in Bereichen prägen, die für die Gesellschaft insgesamt von Bedeutung sind. … Richter Frankfurter brachte es in Baumgartner v. United States, 322 U.S. 665, 673 -674 (1944) auf den Punkt, als er sagte, dass eines der Vorrechte der amerikanischen Staatsbürgerschaft das Recht ist, öffentliche Personen und Maßnahmen zu kritisieren. Eine solche Kritik wird zwangsläufig nicht immer begründet oder gemäßigt sein; Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Beamte werden vehementen, beißenden und manchmal unangenehm scharfen Angriffen ausgesetzt sein, so in New York Times, oben, bei 270. Der Kandidat, der seine makellose Bilanz und gediegene Integrität rühmt, kann nicht überzeugend 'Foul!' schreien, wenn ein Gegner oder ein fleißiger Reporter versucht [485 U.S. 46, 52], das Gegenteil zu beweisen. Monitor Patriot Co. v. Roy, 401 U.S. 265, 274 (1971).
8 Natürlich bedeutet dies nicht, dass jede Äußerung über eine Person des öffentlichen Lebens immun gegen Sanktionen in Form von Schadenersatz ist. Seit New York Times Co. v. Sullivan, 376 U.S. 254 (1964), haben wir konsequent entschieden, dass eine Person des öffentlichen Lebens jemanden für die Rufschädigung haftbar machen kann, die durch die Veröffentlichung einer diffamierenden Unwahrheit verursacht wird, aber nur, wenn die Aussage mit dem Wissen, dass sie falsch war, oder unter rücksichtsloser Missachtung dessen, ob sie falsch war oder nicht, gemacht wurde. Id., bei 279-280. Falsche Tatsachenbehauptungen sind besonders wertlos; sie stören die wahrheitssuchende Funktion des Marktes der Ideen und schädigen den Ruf eines Individuums, der durch eine wie auch immer überzeugende oder effektive Gegendarstellung nicht so leicht repariert werden kann. Siehe Gertz, 418 U.S., at 340 , 344, n. 9. Aber obwohl Unwahrheiten an und für sich wenig Wert haben, sind sie dennoch unvermeidlich in der offenen Auseinandersetzung, id., bei 340, und eine Regel, die einem Verleger eine verschuldensunabhängige Haftung für falsche Tatsachenbehauptungen auferlegen würde, hätte zweifellos eine verfassungsrechtlich relevante abschreckende Wirkung auf Äußerungen in Bezug auf Personen des öffentlichen Lebens. Meinungsfreiheit erfordert '"Atempause". Philadelphia Newspapers, Inc. gegen Hepps, 475 U.S. 767, 772 (1986) (zitiert die New York Times, oben, bei 272). Diese Atempause wird durch eine Verfassungsregel gewährt, die es Personen des öffentlichen Lebens nur dann erlaubt, Schadenersatz wegen Verleumdung zu verlangen, wenn sie sowohl nachweisen können, dass die Aussage falsch war als auch, dass sie mit dem erforderlichen Maß an Schuld erfolgte.
9 Der Antragsgegner (Falwell) argumentiert jedoch, dass in diesem Fall ein anderer Maßstab gelten sollte, da der Staat hier nicht eine Rufschädigung, sondern das schwere seelische Leid der Person, die Gegenstand einer anstößigen Veröffentlichung ist, zu verhindern sucht. Vgl. Zacchini v. Scripps-Howard Broadcasting Co., 433 U.S. 562 (1977) (mit der Entscheidung, dass der Standard der Böswilligkeit nicht für die unerlaubte Aneignung von Persönlichkeitsrechten gilt). Nach Ansicht des Antragsgegners (Falwell) und nach Ansicht des [485 U.S. 46, 53] Court of Appeals ist es, solange die seelisches Leid verursachende Äußerung schmählich war und tatsächlich ernsthaften seelischen Schaden verursachte, von keiner verfassungsrechtlichen Bedeutung, ob es sich bei der Aussage um eine Tatsache oder eine Meinung handelte oder ob sie wahr oder falsch war. Es ist die Absicht, eine Verletzung zu verursachen, die die Beschwer für das Unrecht herbeiführt, und das Interesse des Staates, seelische Schäden zu verhindern, überwiegt jegliches Interesse, das jemand an einer Äußerung dieser Art haben mag.
10 Im Allgemeinen betrachtet das Gesetz die Absicht, seelisches Leid zuzufügen, nicht als eine, die viel Beachtung erhalten sollte, und es ist durchaus verständlich, dass die meisten, wenn nicht alle Rechtsprechungen es zivilrechtlich ahnden, wenn das fragliche Verhalten ausreichend schmählich ist. Aber in der Welt der Debatte über öffentliche Angelegenheiten werden viele Dinge, die aus Motiven getan werden, die weniger als bewundernswert sind, durch den 1. Zusatzartikel der Verfassung geschützt. In der Rechtssache Garrison v. Louisiana, 379 U.S. 64 (1964), hielten wir fest, dass selbst wenn ein Redner oder Schriftsteller durch Hass oder Feindseligkeit motiviert ist, seine Äußerung durch den 1. Zusatzartikel der Verfassung geschützt wurde:
11 Die Debatte über öffentliche Themen wird nicht ungehemmt sein, wenn der seine Meinung Äußernde das Risiko eingehen muss, dass vor Gericht bewiesen wird, dass er aus Hass gesprochen hat; auch wenn er aus Hass sprach, tragen ehrlich gemeinte Äußerungen zum freien Austausch von Ideen und zur Wahrheitsfindung bei. Id., bei 73.
12 Während also ein solch schlechtes Motiv für die Zwecke der Deliktshaftung in anderen Bereichen des Gesetzes als kontrollierend angesehen werden kann, denken wir, dass der 1. Zusatzartikel der Verfassung ein solches Ergebnis im Bereich der öffentlichen Debatte über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nicht zulässt.
13 Sollten wir etwas anderes festlegen, kann es kaum Zweifel daran geben, dass politische Karikaturisten und Satiriker Schadenersatzzahlungen ausgesetzt wären, ohne zeigen zu können, dass der Gegenstand ihrer Arbeit eine fälschliche Diffamierung sei. Webster's definiert eine Karikatur als die absichtlich verzerrte Darstellung oder Nachahmung einer Person, eines literarischen Stils usw. durch Übertreibung von Merkmalen oder Eigenheiten für eine satirische Wirkung. Webster's New Unabridged Twentieth [485 U.S. 46, 54] Century Dictionary of the English Language 275 (2. Auflage 1979). Die Anziehungskraft der politischen Karikatur beruht oft auf der Ausnutzung unglücklicher äußerlicher Eigenschaften oder politisch unangenehmer Ereignisse - eine Ausbeutung, die oft darauf abzielt, die Gefühle des Subjekts der Darstellung zu verletzen. Die Kunst des Karikaturisten ist oft nicht vernünftig oder unvoreingenommen, sondern schräg und einseitig. Ein Karikaturist drückte das Wesen der Kunst mit diesen Worten aus:
14 Die politische Karikatur ist eine Waffe des Angriffs, der Verachtung und des Hohns und der Satire; sie ist am wenigsten effektiv, wenn sie versucht, einem Politiker auf die Schulter zu klopfen. Sie ist in der Regel so willkommen wie ein Bienenstich und mancherseits immer umstritten. Long, The Political Cartoon: Journalism's Strongest Weapon, The Quill 56, 57 (Nov. 1962).
15 Mehrere berühmte Beispiele für diese Art von absichtlich verletzender Äußerung wurden von Thomas Nast gezeichnet, dem wahrscheinlich größten amerikanischen Karikaturisten bis heute, der während der Zeit nach dem Bürgerkrieg viele Jahre lang mit Harper's Weekly verbunden war. Auf den Seiten dieser Publikation führte Nast eine grafische Fehde gegen William M. "Boss" Tweed und seine korrupten Verbündeten im New Yorker "Tweed Ring" durch. Sie wurde von einem Historiker als ein anhaltender Angriff, der in seiner Leidenschaft und Wirksamkeit in der Geschichte der amerikanischen Grafikkunst einzigartig ist, beschrieben. M. Keller, Die Kunst und Politik des Thomas Nast 177 (1968). Ein anderer Autor erklärt, dass der Erfolg des Nast-Cartoons wegen der emotionalen Wirkung seiner Präsentation erreicht wurde. Es geht immer wieder über die Grenzen des guten Geschmacks und der konventionellen Manieren hinaus. C. Press, The Political Cartoon 251 (1981).
⇒ Die Einfügung der Darstellung der Karikatur zu William Tweeds Wahlfälschungen erfolgt zum besseren Verständnis der obigen Ausführungen des Supreme Court. Auf den dazugehörigen Eintrag im deutschsprachigen Wikipedia zu Thomas Nast wird verwiesen.

16 Trotz ihrer manchmal beißenden Natur, von der frühen Karikatur, die George Washington als Esel darstellte, bis zum heutigen Tag, haben grafische Darstellungen und satirische Karikaturen eine herausragende Rolle in der öffentlichen und politischen Debatte gespielt. Nasts Geißelung des Tweed-Rings, Walt McDougalls Charakterisierung des Banketts des Präsidentschaftskandidaten James G. Blaine mit den Millionären bei Delmonico als The Royal [485 U.S. 46, 55] Feast of Belshazzar und zahlreiche andere Bemühungen haben zweifellos einen Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis der zeitgenössischen Debatte gehabt. Lincolns hoch aufgeschossene Haltung, Teddy Roosevelts Brille und Zähne und Franklin D. Roosevelts hervorstehendes Kiefer wurden durch politische Karikaturen mit einer Wirkung in Erinnerung gerufen, die ein Fotograf oder Porträtkünstler nicht hätte erzielen können. Aus historischer Sicht ist klar, dass unser politischer Diskurs ohne sie wesentlich ärmer gewesen wäre.
⇒ Die Einfügung der Darstellung der Karikatur der Charakterisierung des Banketts des Präsidentschaftskandidaten James G. Blaine mit den Millionären bei Delmonico als The Royal Feast of Belshazzar erfolgt zum besseren Verständnis der obigen Ausführungen des Supreme Court. Auf den dazugehörigen Eintrag im englischsprachigen Wikipedia zu Walt McDougall wird verwiesen.
17 Der Antragsgegner (Falwell) macht jedoch geltend, dass die hier in Rede stehende Karikatur so unverschämt gewesen sei, dass sie sich von traditionelleren politischen Karikaturen unterscheide. Es besteht kein Zweifel, dass die in Hustler veröffentlichte Karikatur des Antragsgegners (Falwell) und seiner Mutter bestenfalls ein entfernter Verwandter der oben beschriebenen politischen Karikaturen ist, und zwar ein eher schlechter Verwandter. Wenn es möglich wäre, durch die Festlegung eines prinzipiellen Standards die eine von der anderen zu trennen, würde der öffentliche Diskurs wahrscheinlich wenig oder gar keinen Schaden erleiden. Aber wir bezweifeln, dass es einen solchen Standard gibt, und wir sind uns ziemlich sicher, dass die abwertende Beschreibung unverschämt keinen liefert. Unverschämtheit im Bereich des politischen und sozialen Diskurses hat eine inhärente Subjektivität, die es einer Jury ermöglichen würde, eine Haftung auf der Grundlage des Geschmacks oder der Ansichten der Geschworenen oder vielleicht auf der Grundlage ihrer Abneigung gegen eine bestimmte Ausdrucksweise aufzuerlegen. Ein Unverschämtheitsstandard steht somit im Widerspruch zu unserer langjährigen Weigerung, Schadenersatz zu gewähren, weil die fragliche Meinung eine nachteilige emotionale Wirkung auf das Publikum haben kann. Siehe NAACP v. Claiborne Hardware Co., 458 U.S. 886, 910 (1982) (Meinungen verlieren nicht ihren Schutz einfach deswegen, weil sie andere in Verlegenheit bringen oder zum Handeln zwingen können). Und wie wir in FCC v. Pacifica Foundation, 438 U.S. 726 (1978) festgestellt haben:
18 Die Tatsache, dass die Gesellschaft Meinungen als beleidigend empfinden könnte, ist kein ausreichender Grund, sie zu unterdrücken. In der Tat, wenn es die Meinung jemandes ist, die Anstoß erregt, ist diese Konsequenz ein Grund, ihr verfassungsmäßigen Schutz zu gewähren. [485 U.S. 46, 56]
19 Denn es ist ein zentraler Grundsatz des 1. Zusatzartikels zur Verfassung, dass die Regierung auf dem Markt der Ideen neutral bleiben muss. Id., bei 745-746.
20 Siehe auch Street v. New York, 394 U.S. 576, 592 (1969) (Es ist fest verankert, dass . . . die öffentliche Äußerung von Ideen nicht verboten werden darf, nur weil die Ideen selbst für einige ihrer Zuhörer beleidigend sind).
21 Zugegebenermaßen unterliegen diese oft wiederholten Prinzipien des 1. Zusatzartikels zur Verfassung, wie andere Prinzipien, Einschränkungen. Wir haben in Pacifica Foundation erkannt, dass eine Äußerung, die vulgär, beleidigend und schockierend ist, nicht unter allen Umständen Anspruch auf absoluten Verfassungsschutz hat. 438 U.S., bei 747 . In der Rechtssache Chaplinsky v. New Hampshire, 315 U.S. 568 (1942), hielten wir fest, dass ein Staat eine Person rechtmäßig für die Verwendung beleidigender Kampfwörter bestrafen kann - solche, die durch ihre bloße Äußerung Schaden zufügen oder dazu neigen, zu sofortigem Landfriedensbruch aufzuhetzen. Id., bei 571-572. Diese Einschränkungen sind nur die Anerkennung der Beobachtung in Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 472 U.S. 749, 758 (1985), dass dieses Gericht seit langem erkannt hat, dass nicht jede Äußerung von gleicher Bedeutung für den 1. Zusatzartikels zur Verfassung ist. Aber die Art der Äußerung, um die es in diesem Fall geht, scheint uns nicht für eine Ausnahme von den oben genannten allgemeinen Prinzipien des 1. Zusatzartikels zur Verfassung bestimmt zu sein.
22 Wir kommen zu dem Schluss, dass Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträger nicht für die unerlaubte Handlung der vorsätzlichen Zufügung seelischen Schadens aufgrund von Veröffentlichungen wie der hier in Rede stehenden entschädigt werden dürfen, ohne zusätzlich darzutun, dass die Veröffentlichung eine falsche Tatsachenaussage enthält, die mit Böswilligkeit gemacht wurde, d. h. in Kenntnis der Tatsache, dass die Aussage falsch war, oder mit rücksichtsloser Missachtung der Frage, ob sie wahr war oder nicht. Dies ist keine blinde Anwendung des New York Times-Standards, siehe Time, Inc. v. Hill, 385 U.S. 374, 390 (1967), sondern spiegelt unsere wohlüberlegte Einschätzung wider, dass ein solcher Standard notwendig ist, um den durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung geschützten Freiheiten eine angemessene Atempause zu geben. [485 U.S. 46, 57]
23 Hier ist klar, dass der Antragsgegner Falwell eine Person des öffentlichen Lebens im Sinne des 1. Zusatzartikels zur Verfassung ist. Die Geschworenen entschieden gegen den Antragsgegner (Falwell) wegen seiner Verleumdungsklage, als sie feststellten, dass die Hustler-Werbungsparodie vernünftigerweise nicht so verstanden werden kann, dass sie tatsächliche Fakten über [den Antragsgegner] oder tatsächliche Ereignisse, an denen [er] teilgenommen hat, beschreibt. App. zu Pet. for Cert. C1. Das Berufungsgericht interpretierte die Feststellung der Jury so, dass die Werbungsparodie vernünftigerweise nicht glaubwürdig war, 797 F.2d, bei 1278, und in Übereinstimmung mit unserem Gewohnheitsrecht akzeptieren wir diese Feststellung. Der Antragsgegner (Falwell) wird somit auf seinen von der Jury für die vorsätzliche Zufügung seelischen Schadens durch unverschämtes Verhalten zugesprochenen Schadensersatzanspruch verwiesen. Aus den bisher genannten Gründen kann dieser Anspruch jedoch im Einklang mit dem 1. Zusatzartikel zur Verfassung keine Grundlage für die Zuerkennung von Schadensersatz bilden, wenn es sich bei dem fraglichen Verhalten um die Veröffentlichung einer Karikatur wie der hier in Rede stehenden Werbungsparodie handelt. Das Urteil des Berufungsgerichts wird dementsprechend
24 abgeändert.
VII Kommentar
Stanley J. Baran erläutert in Introduction to Mass Communication – Media Literacy and Culture, 3rd Edition (2004), 470, ua, dass
- Falwell auf 45 Millionen Dollar klagte und schließlich 200.000 Dollar für die absichtliche Zufügung von emotionalem Leid gewann und ein Bundesberufungsgericht das Urteil bestätigte,
- Flynt beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegte und die einstimmige Entscheidung der Justiz den Mann unterstützte, der in einem früheren Prozess nur eine amerikanische Flagge getragen hatte, die als Windel verwendet wurde,
- der Fall den Schutz der Parodie bekräftigte und "der wichtigste Fall des 1. Zusatzartikels zur Verfassung in der Geschichte dieses Landes" genannt werde,
- Flynt selbst sagte: Wenn der 1. Zusatzartikel zur Verfassung einen Mistkerl wie mich schützt, dann wird er euch alle schützen. Weil ich der Schlimmste bin,
- der Vorsitzende Richter Rehnquist für den Schutz von Meinungsäußerungen, die wir nicht mögen, etwas feinfühliger plädierte: Im Mittelpunkt des Ersten Verfassungszusatzes steht die Anerkennung der grundlegenden Bedeutung des freien Flusses von Ideen. Die Freiheit, seine Meinung zu sagen, ist nicht nur ein Aspekt der individuellen Freiheit, sondern wesentlich für die Suche nach Wahrheit und die Vitalität der Gesellschaft als Ganzes. In der Welt der Debatte über öffentliche Angelegenheiten werden viele Dinge, die mit Motiven getan werden, die weniger als bewundernswert sind, dennoch durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung geschützt.
Introduction to Mass Communication – Media Literacy and Culture erscheint im Jahr 2022 mittlerweile in der 12. Auflage.
VIII Hinweise zu dieser Webseite
- Der hier zur Verfügung gestellte Text folgt der englischsprachigen Fassung aus der Datenbank OpenJurist, da laut Nutzungsbedingungen alle Informationen auf deren Webseite als Service für die Internetgemeinschaft vorgesehen sind.
- Sie kann (bei Eingabe der Nummerierung) als Dokument in englischer Sprache abgerufen werden.
- Die in den Abschnitten IV bis VI vor Beginn von Absätzen eingefügten Zahlen 1 bis 24 entsprechen den Randnummern im Urteilstext aus der Datenbank OpenJurist.
- Die angeführten Zitate aus Wkipedia (zu Hustler v Falwell, Hustler, Falwell, Nast und McDougall) und aus dem Essay von Baran (mit Quellenangaben) erfolgen im angeführten Umfang zur Erläuterung des Inhaltes der Webseite.
- Personenbezogene Daten, die über die Veröffentlichung der Entscheidung hinausgehen, ergeben sich aus dem Bekanntheitsgrad von Larry Flynt und Jerry Falwell.