La chute

Der Fall

Roman von Albert Camus, 1956

I Autor und Werk

Der Fall  (franz. La Chute) ist ein Roman von Albert Camus. Er ist Camus’ letztes vollendetes Prosawerk. Die Geschichte ist in Amsterdam angesiedelt und wird als Monolog vom selbsternannten „Bußrichter“ Jean-Baptiste Clamence erzählt, der einem Fremden seine Vergangenheit als erfolgreicher Anwalt offenbart. In seiner Lebensbeichte berichtet er von seiner Krise und seinem Fall, der als individuelle säkulare Version des Sündenfalls gesehen werden kann. Das Werk erkundet Themen wie Bewusstsein, Freiheit und die Sinnlosigkeit des menschlichen Lebens.

Zum Roman siehe  Wikipedia (deutsch).

Albert Camus (* 7. November 1913 in Mondovi, Französisch-Nordafrika, heute Dréan, Algerien; † 4. Januar 1960 nahe Villeblevin, Frankreich) war ein französischer Schriftsteller, Philosoph und Religionskritiker. 1957 erhielt er für sein publizistisches Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur. Camus gilt als einer der bekanntesten und bedeutendsten französischen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Zur Biografie siehe  Wikipedia (deutsch) und Wikipedia (französisch) und zum  Nobelpreis 1957 for his important literary production, which with clear-sighted earnestness illuminates the problems of the human conscience in our times.

II Handlung

übernommen aus  Wikipedia

Das Leben in Paris

Zu Beginn des Romans erklärt Clamence in der Bar Mexico City einem Fremden, wie man richtig etwas zum Trinken bestellt. Der Barmann spricht ausschließlich niederländisch. Clamence übersetzt für sein Gegenüber, und nachdem klar wird, dass beide aus Paris stammen, beginnt er mit ihm ein ernstes Gespräch.

Clamence erzählt, dass er ein perfekt erscheinendes Leben in Paris geführt habe, als erfolgreicher und angesehener Anwalt. Der Hauptteil seiner Arbeit habe sich um Witwen und Waisen gedreht, die Armen und Entrechteten, die sich sonst keine Verteidigung leisten könnten. Er erzählt auch von seiner alltäglichen Hilfsbereitschaft (Blinden über die Straße helfen, Platz frei machen im Bus etc.). Er glaubte von sich selbst, er lebe nur im Dienst der andern und habe mehr erreicht als der gemeine Mann, er habe es auf den Gipfel geschafft, wo die Tugend ihre eigene Belohnung sei.

Eines Nachts beim Überqueren der Pont Royal unterlässt er es, den Suizid einer Frau zu verhindern. Er lebt wie gewohnt weiter. Später kommt er zu dem Schluss, dass er gehemmt war, die Frau zu retten, weil er dafür sein eigenes Leben hätte gefährden müssen. Jahre später, ohne dass ihm das Vergessen des Vorfalls gelungen wäre, hört er auf der Pont des Arts ein Lachen, das ihn fortan verfolgt.

Ein dritter Vorfall besiegelt Clamences Abwärtsspirale endgültig: Bei einem Stopplicht wartet er hinter einem nicht anspringenden Motorrad, das er nicht überholen kann. Es kommt zum Streit mit dem unnachgiebigen beleidigenden Motorradfahrer. Als Clamence ihn schlagen will, interveniert jemand und empört sich darüber, dass Clamence einen Mann schlagen wollte, der durch sein Motorrad behindert – und somit benachteiligt – sei. Clamence will die Sache richtigstellen, aber plötzlich schlägt ihn der Motorradfahrer von der Seite an den Kopf und fährt ab. Erniedrigt kehrt Clamence zu seinem Wagen zurück, ohne sich am Unterbrecher zu rächen. Es kommt ihm erst danach – immer wieder – in den Sinn, was er hätte tun können. Verbitterung nagt an ihm. Nachdem er sich wehrlos in der Öffentlichkeit hatte schlagen lassen, kann er sein Selbstbild nicht mehr aufrechterhalten. Da ihn der demütigende Vorfall derart stört, war er offenbar auch gar nicht der wohltäterische Freund der Wahrheit, für den er sich hielt – denn dann hätte er den Vorfall längst vergessen, der ja auch von den Augenzeugen längst vergessen worden sein musste.

Clamence kommt zum Schluss, dass er sein ganzes Leben mit der Suche nach Ehre, Anerkennung und Macht über andere verbracht hat. Nach dieser Erkenntnis kann er nicht mehr leben wie zuvor.

Krise

Anfangs versucht Clamence, gegen das Gefühl anzukämpfen, scheinheilig und selbstsüchtig gelebt zu haben. Seine guten Taten, die er dabei als Argument benutzt, erweisen sich schnell als hinfällig. Es fällt ihm ein, dass er, immer wenn er einem Blinden über die Straße half, besonders gern seinen Hut hob. Da er die Geste nicht sehen konnte, fragt sich Clamence nun, an wen sie denn sonst gerichtet sein musste: An die Zuschauer. So kommt Clamence dazu, sich selbst als scheinheilig und doppelzüngig zu betrachten. Die Klarheit darüber, dass sein ganzes Leben falsch gewesen ist, führt ihn in eine geistige und emotionale Krise; was er gedacht hat, kann er nicht mehr rückgängig machen. Das Lachen, das er zum ersten Mal auf der Pont des Arts hörte, beginnt seine ganze Existenz zu durchdringen. Clamence beginnt sogar über sich selbst zu lachen, wenn er vor Gericht Angelegenheiten um Gerechtigkeit und Recht vertritt. Weil er das Lachen nicht ausblenden kann, versucht er es abzuschütteln, indem er seine Scheinheiligkeit ablegt und den guten Ruf zerstört, den er einst darauf errichtet hatte. So lässt er u. a. unter Leuten unkorrekte Kommentare fallen. Seine Bemühungen schlagen fehl. Man glaubt, er mache Späße – es erscheint undenkbar, dass ein ehrenwerter Mann solche Dinge ernst meint. Das Lachen nagt immer noch an ihm. Er merkt, dass seine Bemühungen, es zu vertreiben, genauso unehrlich waren: Er hat sich in vollkommenen Hohn stürzen wollen, um das ganze Gelächter auf seine Seite zu ziehen, oder dies zumindest zu versuchen – es ist immer noch ein Erschleichungsversuch, ein Täuschungsversuch am Gesetz.

Clamence zieht sich zurück, schließt die Kanzlei, meidet den früheren Umgang. Er beginnt kompromisslose Ausschweifungen – kein Mensch sei heuchlerisch in seinen Genüssen. Clamence erkennt, dass jeder an etwas die Schuld trägt, ob gewollt oder ungewollt.

Das Leben in Amsterdam

Der letzte von Clamences fünf Monologen findet in seiner Wohnung im ehemaligen Judenquartier statt. Er erzählt spezifischer von den Ereignissen, die ihn nach Amsterdam verschlagen hatten. Durch den Ausbruch des Kriegs und den Fall Frankreichs erwog er den Beitritt zur Résistance, aber verwarf diesen Plan dann wieder. Stattdessen beschloss er die Flucht aus Paris nach London und nahm einen indirekten Weg, durch Nordafrika. Er fand aber einen Freund in Afrika und wollte dort bleiben und eventuell in Tunis ansässig werden, wurde aber von den Nationalsozialisten verhaftet und in ein Konzentrationslager gesperrt.

Die Figur Clamence erklärt auch, wie eine Tafel mit dem Titel "Die gerechten Richter" (Clamence nennt sie "die unbestechlichen Richter") des berühmten Genter Altars von Jan Van Eyck in seine Hände kam. Camus  bezieht sich an dieser Stelle auf eine wahre Begebenheit, denn nachdem der gesamte Genter Altar als Reparationszahlung nach dem Ersten Weltkrieg gemäß dem Versailler Vertrag von den Berliner Museen an Belgien zurückgegeben worden war, wurden 1934 die Tafeln mit den gerechten Richtern und Johannes dem Täufer aus der Genter St.-Bavo-Kirche gestohlen. Letztere wurde zurückgegeben. Für die „gerechten Richter“ wurde jedoch ein Lösegeld von einer Million belgische Francs gefordert. Da die Summe nicht gezahlt wurde, bleibt das Bild bis heute verschollen. Das ausgestellte Bild ist bis heute eine Kopie, wie Clamence auch im Roman erwähnt. Clamence benutzt das Bild dann, um anhand seiner sein Selbstverständnis als Bußrichter darzulegen: Er büßt für seine Verfehlungen (Nicht-Verhindern des Selbstmords, Eitelkeit, Ausschweifungen), welche durch die Gesellschaft nicht bestraft werden, indem er durch den Besitz des Bildes eine in dieser Gesellschaftsordnung zu bestrafende Schuld auf sich geladen hat. Hiermit hat er sich als Richter seiner selbst eine Möglichkeit zur Buße geschaffen.

III Printausgabe

Camus, Albert:Der Fall  (dt. von Guido G. Meister). Rororo: Reinbek (1997), ISBN 3-499-22191-8, 2. Auflage erschienen 2010, ISBN 978-3-499-25310-2.

IV Adaption

Hörbuchadaption

Auf der Webseite lipola.de wurden von Soraya Levin  2014 drei Hörbüchadaptionen vorgestellt:

  • Albert Camus,Die Pest,  Roman, Sprecher: Ulrich Matthes, Deutsch von Guido G. Meister, 3 CDs, 192 Min., Genre: Klassiker der Literatur, Art: Genehmigte Lesefassung, steinbach sprechende bücher, Schwäbisch Hall 2013, ISBN 978-3-86974-153-6
  • Albert Camus, Der Fremde,  Roman, Sprecher: Ulrich Matthes, Deutsch von Uli Aumüller, 3 CDs, 224 Min., Genre: Klassiker der Literatur, Art: Genehmigte Lesefassung, steinbach sprechende bücher, Schwäbisch Hall 2013, ISBN 978-3-86974-151-2
  • Albert Camus,  Der Fall,  Roman, Sprecher: Ulrich Matthes, Deutsch von Guido G. Meister, 3 CDs, 226 Min., Genre: Klassiker der Literatur, Art: Genehmigte Lesefassung, steinbach sprechende bücher, Schwäbisch Hall 2013, ISBN 978-3-86974-152-9

Zum Hörbuch Der Fall  wird ua rezensiert (Zitat):

Matthes Stimme verleiht dem Hörer den Eindruck in der Bar „Mexiko City“ in Amsterdam am Hafen zu sitzen und Gesprächspartner des ehemals erfolgreichen Anwalts Jean-Baptiste Clamence zu sein.

V Kunst und Freiheit bei Camus

übernommen aus  Wikipedia

Kunst und Freiheit sind in seinen theoretischen und fiktionalen Werken untrennbar miteinander verbunden. Die daraus resultierende Unabhängigkeit, nicht nur für die Kunst, auch den Ideologien gegenüber, wurde vom linken Lager nicht akzeptiert. Der Streit mit seinem Freund Jean-Paul Sartre, der auf die Rezension von Der Mensch in der Revolte (L’homme révolté) von Francis Jeanson  in der Zeitschrift Les Temps Modernes folgte, führte zum definitiven Bruch ihrer Freundschaft. Heute zeigt sich vor allem wegen seiner Aussagen zur Kunst und zur Freiheit eine ungebrochene Aktualität seines Werkes, die Camus’  Forderungen und Positionen bestätigt. Für Rupert Neudeck, den Begründer des Unternehmens Cap Anamur  war Die Pest (La peste) eine „Bibel der NGOs“. In Die Pest resümiert der Journalist Rambert, den der Arzt Rieux überzeugt hat, in der von der Pest heimgesuchten Stadt zu bleiben, seine Einsicht, die auch die Haltung ist, die Camus  dem Künstler zuschreibt: „Ja, sagte Rambert, aber man kann sich schämen, wenn man ganz allein glücklich ist.“ Damit beantwortet er die Frage, die der Künstler Jonas als letzte Handlung auf seine leere Leinwand geschrieben hatte: „solitaire oder solidaire“.

(Anmerkung zur Übersetzung: solidaire = solidarisch, verbunden; solitaire = einsam, kontaktlos, zurückgezogen).

Camus  verstand sein Gesamtwerk als eine Interpretation ästhetischer Reflexionen, die immer wieder in seinen Tagebüchern erscheinen. Es ging ihm um die Auflehnung des Künstlers gegen die als absurd empfundene Welt, eine Revolte, die er den Ideologien, die die Freiheit der Kunst angreifen, nachdrücklich entgegenstellt: Im Frühjahr 1943 schreibt er „Die Kunst ist der Abstand, den die Zeit dem Leiden gibt.“ Ganz persönliche Eintragungen wie im Mai 1953 verweisen auf sein Selbstverständnis als Künstler: „Wenn ich meinen Leidenschaften nicht nachgegeben hätte, wäre ich vielleicht imstande gewesen, der Welt mitzuwirken, etwas in ihr zu ändern. Aber ich habe ihnen nachgegeben, und deshalb bin ich ein Künstler und weiter nichts.“

Seine Rede anlässlich der Entgegennahme des Nobelpreises für Literatur am 10. Dezember 1958 in Stockholm resümiert die Verbindung von Kunst und Freiheit, so wie er sie in seinem Gesamtwerk entwickelt hat. Die Kunst ist den Ideologien und der Politik überlegen. Nicht die Ideologien begründen die Freiheit, sondern sie wird nur durch die uneingeschränkte Ausübung der Kunst sichergestellt.In Stockholm gibt er einen Schlüssel zum Verständnis seines Gesamtwerkes. Camus spricht von der Kunst, ohne die er nicht leben könne. Sie dulde keine Einsamkeit. Der Künstler teile die Kunst mit allen. Der zweite Bezugspunkt ist die Schönheit. Die Kunst ist ein Mittel, möglichst viele Menschen zu erreichen:

„Die Kunst ist in meinen Augen kein einsiedlerisches Vergnügen. Sie ist ein Mittel, die größtmögliche Zahl von Menschen anzurühren, indem sie ihnen ein beispielhaftes Bild der gemeinsamen Leiden und Freuden vorhält. Sie verlangt also vom Künstler, sich nicht abzukapseln; sie unterwirft ihn der bescheidensten und zugleich umfassendsten Wahrheit.“

Er warnt den Künstler davor, seine Unabhängigkeit aufzugeben, denn dann verlöre er die Kunst als ein Mittel, sie gegen Unterdrückung einzusetzen. Der Künstler kann keine Moral formulieren. Eine Definition für die Wahrheit gebe es nicht, sie müsse immer wieder neu bestimmt werden. „Camus justiert mit dieser Rede, die die Wörter absurd und Revolte nicht nennt, die Gewichte für die Interpretation seines Werkes.

VI Hinweise zu dieser Webseite

  1. Die Zitate aus der freien Enzyklopädie Wikipedia (zum Roman, zum Autor und in Abschnitt V) und aus der Website lipola.de (mit den jeweils aus der Verlinkung ersichtlichen Quellenangaben) erfolgen im angeführten Umfang zur Erläuterung des Inhaltes der Webseite.
  2. Personenbezogene Daten ergeben sich aus der Literaturbeschreibung sowie aus dem Bekanntheitsgrad des Autors und seines Werks.

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