I Autor und Werk
Franz Kafka (tschechisch gelegentlich František Kafka),* 3. Juli 1883 in Prag, Österreich-Ungarn; † 3. Juni 1924 in Kierling, Österreich) war ein österreichisch-tschechoslowakischer, deutschsprachiger Schriftsteller.
Kafkas Werke werden zum Kanon der Weltliteratur gezählt.
Für die Beschreibung seiner ungewöhnlichen Art der Schilderung hat sich ein eigenes Wort entwickelt: kafkaesk
Zur Biografie siehe (statt vieler) Wikipedia, die Webseite der S. Fischer Verlag GmbH, die Webseite der Österreichischen Franz Kafka Gesellschaft und die Webseite Franz Kafka konkret.
Der Process (auch Der Proceß oder Der Prozeß, Titel der Erstausgabe: Der Prozess) ist neben Der Verschollene (auch unter dem Titel Amerika bekannt) und Das Schloss einer von drei unvollendeten und postum erschienenen Romanen von Franz Kafka.
Die erste Ausgabe trägt den Titel Der Prozess (so auf dem Titelblatt) und erschien am 26. April 1925 im Berliner Verlag Die Schmiede. Das Werk wurde von Kafkas Freund Max Brod herausgegeben.
II Überblick der Handlung und Anordnung der Romankapitel
Abschnitte II und III: Zitat aus Wikipedia
Überblick der Handlung
Der Bankprokurist Josef K., der Protagonist des Romans, wird am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Trotz seiner Festnahme darf sich K. noch frei bewegen und weiter seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und wie er sich rechtfertigen könnte. Dabei stößt er auf ein für ihn nicht greifbares Gericht, dessen Kanzleien sich auf den Dachböden großer ärmlicher Mietskasernen befinden. Die Frauen, die mit der Gerichtswelt in Verbindung stehen und die K. als „Helferinnen“ zu werben versucht, üben eine erotische Anziehungskraft auf ihn aus.
Josef K. versucht verzweifelt, Zugang zum Gericht zu finden, doch auch dies gelingt ihm nicht. Er beschäftigt sich immer öfter mit seinem Prozess, obwohl er anfangs das Gegenteil beabsichtigte. Er gerät dabei immer weiter in ein albtraumhaftes Labyrinth einer surrealen Bürokratie. Immer tiefer dringt er in die Welt des Gerichts ein. Gleichzeitig dringt jedoch auch das Gericht immer mehr in Josef K.s Leben ein. Ob tatsächlich ein irgendwie gearteter Prozess heimlich voranschreitet, bleibt sowohl dem Leser als auch Josef K. verborgen. Gleiches gilt für das Urteil: K. erfährt es nicht, aber er empfindet selbst, dass seine Zeit abgelaufen ist. Josef K. fügt sich einem nicht greifbaren, mysteriösen Urteilsspruch, ohne jemals zu erfahren, weshalb er angeklagt war und ob es tatsächlich dazu das Urteil eines Gerichtes gibt. Am Vorabend seines 31. Geburtstages wird Josef K. von zwei Herren abgeholt und in einem Steinbruch „wie ein Hund“ erstochen.
Anordnung der Romankapitel
Die Anordnung der Romankapitel wird seit der Erstveröffentlichung diskutiert und immer wieder in Frage gestellt. Kafka, der zwischen August 1914 und Januar 1915 am Process arbeitete, hat sein Werk zu Lebzeiten nicht abgeschlossen und somit auch nicht zur Veröffentlichung vorbereitet. In einer an seinen Freund Max Brod gerichteten Verfügung fordert er diesen sogar auf, nach seinem Tod seine Schriften zu vernichten.
Der einzige Textbeleg ist die von Kafka niedergelegte Handschrift, in der sich zahlreiche Korrekturen Kafkas finden. Nach Abbruch der Arbeiten an dem Werk, aus dem er nur die Erzählung Vor dem Gesetz veröffentlichte, löste er vermutlich die Hefte auf, in die er den Text geschrieben hatte. Dadurch wurde der Gesamttext in 16 Abschnitte zerteilt, teilweise zerstückelt in Einzelkapitel, teilweise in Kapitelfolgen oder auch nur Fragmente von Kapiteln. Zwischen diese Abschnitte legte er jeweils einzelne Blätter, auf denen er den Inhalt der dahinter liegenden Blattfolge vermerkte. Diese sechzehn derart abgetrennten Bündel werden meist als „Konvolute“ bezeichnet. Die Bezeichnung „Kapitel“ dagegen impliziert eine vom Autor bewusst festgelegte Text- und Sinneinheit innerhalb eines Werkes, daher gibt dieser Begriff den Sachverhalt nicht richtig wieder.
Aufgrund des fragmentarischen Charakters des Textes wurden verschiedene Editionen herausgegeben, die zum Teil große Unterschiede aufweisen. Die Kritische Ausgabe und die von Brod herausgegebene Edition weisen dem Fragment den Charakter eines abgeschlossenen Werkes zu, indem sie eine Reihenfolge der Manuskriptseiten festlegen.
Brod hatte für die Erstausgabe des Werks die Konvolute in Kapitel geordnet. Als Grundlage dienten ihm die vermachten Originale, welche sich in drei Umschlägen mit einem kryptischen System verschlüsselt aufbewahrt befanden, das nur von seinem Urheber entschlüsselt werden konnte und das Brod auf seine eigene Art und Weise interpretierte.
Die Anordnung der Kapitel in Der Process steht somit auch immer unter der Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung des Schriftstellers Kafka, und somit ist jede Anordnung für eine Textausgabe des Werks bereits Interpretation.
III Printausgaben
Ausgabe von Brod
Die erste Ausgabe trägt den Titel Der Prozess (so auf dem Titelblatt) und erschien am 26. April 1925 im Berliner Verlag „Die Schmiede“.Das Werk wurde von Kafkas Freund Max Brod herausgegeben. Brod sah die Konvolute als abgeschlossene Texteinheiten an und stufte sie daher als Kapitel ein. Außerdem legte er eine Reihenfolge der Kapitel fest. Dabei berief Brod sich auf seine Erinnerung, denn Kafka hatte ihm Teile des Werkes vorgelesen.
In den Jahren 1935 und 1946 gab Brod erweiterte Ausgaben heraus. Zusätzlich enthalten sie im Anhang Teile des Werks, die Brod unvollendet erschienen, als so genannte unvollendete Kapitel. Außerdem enthält der Anhang von Kafka gestrichene Stellen.
Die Anordnung der Kapitel in den Ausgaben von Brod ist wie folgt:
- Verhaftung · Gespräch mit Frau Grubach · Dann Fräulein Bürstner
- Erste Untersuchung
- Im leeren Sitzungssaal · Der Student · Die Kanzleien
- Die Freundin des Fräulein Bürstner
- Der Prügler
- Der Onkel · Leni
- Advokat · Fabrikant · Maler
- Kaufmann Block · Kündigung des Advokaten
- Im Dom
Die unvollendeten Kapitel:
- Zu Elsa
- Fahrt zur Mutter (Ende gestrichen)
- Staatsanwalt
- Das Haus (Ende gestrichen)
- Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter (Großteil gestrichen)
- Ein Fragment („Als sie aus dem Theater traten...“)
Reprint der Erstausgabe (1925): Stroemfeld Verlag, gebunden. ISBN 978-3-87877-500-3
Die Ausgaben nach 1945 wurden mit der veränderten Schreibung Der Prozeß herausgegeben.
Kritische Kafka-Ausgabe
Eine leicht modifizierte Kapitelreihenfolge bietet die Edition mit dem Titel Der Proceß, die im Rahmen der Kritischen Kafka-Ausgabe (KKA) der Werke 1990 erschienen ist. Diese Ausgabe wurde von J. Born und anderen herausgegeben und erschien beim Fischer Verlag.
Kritische Ausgabe: Der Proceß. Herausgegeben von Malcolm Pasley. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2002, gebunden ISBN 3-596-15700-5
Historisch-kritische Ausgabe
Als Beginn der Historisch-kritischen Franz-Kafka-Ausgabe (FKA) durch Roland Reuß in Zusammenarbeit mit Peter Staengle ist die dritte wichtige Edition mit dem Titel Der Process erschienen. Die 1997 vorgelegte Ausgabe beruht auf der Erkenntnis, dass es sich bei der Handschrift nicht um ein abgeschlossenes Werk handelt. Das Ziel, die originale Gestalt des Textes und Form der Handschrift zu wahren, schlägt sich nieder in der Weise, wie die Edition den Text darbietet. Zum einen wird keine Reihenfolge der Konvolute hergestellt, und zum anderen werden die Konvolute nicht in Buchform veröffentlicht. Stattdessen wird jedes der 16 Konvolute in einem Heft wiedergegeben. Auf jeder Doppelseite der Hefte sind jeweils das Faksimile einer Manuskriptseite sowie dessen Umschrift gegenübergestellt. Anhand des Faksimiles kann jeder Leser selbst die zum Teil nicht eindeutigen Streichungen Kafkas beurteilen, da es hier keine Eingriffe durch den Herausgeber gibt, wie sie bei der Kritischen Edition und der von Brod besorgten Ausgabe vorgenommen wurden.
Historisch-kritische Ausgabe der Handschrift: Stroemfeld Verlag, 16 einzeln geheftete Entwurfs-Kapitel im Schuber zusammen mit Franz-Kafka-Heft 1 und CD-ROM, mit 300 Handschriften-Faksimiles: Der Process. Hg. von Roland Reuß. Stroemfeld, Frankfurt/Main, Basel 1997, ISBN 3-87877-494-X
Ausgabe von Christian Eschweiler
Eschweiler veränderte die Kapitelfolge und betrachtet das Traum-Kapitel Josef K.s als Höhepunkt des Entwicklungsgeschehens. Eschweiler ist der Ansicht, das Domkapitel gliedere den Roman in zwei Teile, von denen der erste durch Fremdbestimmung, der zweite durch fortschreitende Selbstbestimmung gekennzeichnet ist. Die Interpretations-Kolumnen sind in den Primärtext eingeschoben. Sie können auch als Kontinuum gelesen werden. Die Begründungen für die notwendigen Kapitel-Umstellungen sind zusätzlich umrandet.
Ausgabe von Eschweiler: Franz Kafka:„Der Prozess“. Neu geordnet, ergänzt und erläutert von Christian Eschweiler. Landpresse, Weilerswist 2009. ISBN 978-3-941037-40-3.
IV Online Ausgabe
Textausgabe bei Projekt Gutenberg-DE (folgend der Brod-Ausgabe)
V Adaptionen
Hörspiel- und Hörbuchadaptionen
Der Process (2010): Hörspielfassung des Bayerischen Rundfunks Hörspiel und Medienkunst unter der Regie von Klaus Buhlert. Veröffentlicht in 16 Teilen auf 17 unnummerierten CDs. Basierend auf der Historisch-kritischen Textausgabe von Roland Reuß und Peter Staengle im Verlag Stroemfeld/Roter Stern 1997. Jedes der 16 Kapitel von Kafka wurde auf einer eigenen CD mit Angabe des Kapiteltitels, aber ohne fortlaufende Nummerierung der Kapitel oder CDs veröffentlicht (ein Kapitel aufgrund der Länge auf zwei CDs). Da die Kapitelanordnung Kafkas unklar ist, soll der Hörer so eine eigene Reihenfolge gestalten können. Auch die Hörfunk- und Podcastfassungen wurden in einer anderen Reihenfolge gesendet als die allgemein bekannten Reihenfolgen (siehe oben). Für das Hörspiel wurden zudem die aus den Faksimiles bekannten Streichungen Kafkas eingesprochen. Sprecher sind Rufus Beck, Samuel Finzi, Corinna Harfouch, Jürgen Holtz, Milan Peschel, Jeanette Spassova, Thomas Thieme und Manfred Zapatka. CD-Edition: Der Hörverlag, 2010, ISBN 978-3-86717-690-3.
Der Prozess: Sven Regener liest Franz Kafka, ungekürzte Lesung, Roof Music, Bochum 2016, ISBN 978-386-484-399-0.
Verfilmungen
Der Prozeß (1962) von Orson Welles, mit Anthony Perkins als Josef K., Jeanne Moreau als Fräulein Bürstner und Romy Schneider als Leni, siehe filmportal.de
Kafka (1991) von Steven Soderbergh (Spielfilm, der Teile von Kafkas Leben mit Elementen aus Der Process, Das Schloss und anderen Texten verbindet), siehe Wikipedia und Internet Movie Database
Der Prozeß (1993) von David Hugh Jones, siehe Internet Movie Database
VI Kommentare
Rösch führt in Justiz und Fiktion - Recht als Gegenstand der Literatur und Literatur als Gegenstand des Rechts - im Rezensionsforum Literaturkritik.de (Zitat):
Franz Kafkas Der Proceß (1925) als Beispiel eines Textes an, der nicht mehr Gerechtigkeit zur Anschauung bringt, sondern vielmehr die Vergeblichkeit oder sogar Absurdität des Strebens danach aufzeigt. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass sich justizkritische Elemente (nur) am Rande der Gespräche, Begegnungen und Verzögerungen dieser labyrinthischen Handlung zeigen.
Ferk (Richter am LG Klagenfurt und Honorarprofessor für Literaturwissenschaften an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu, siehe Wikipedia, gewährt in der jüdischen Kulturzeitschrift DAVID im Beitrag Franz Kafkas "Prozess" und sein Bezug zur österreichischen Strafprozessordnung Einblicke in die juristische Ausbildung und Tätigkeit Franz Kafkas. Als international renommierter Kafkologe schliesst er diesen Beitrag mit folgender Interpretation (Zitat):
Abschliessend sei noch eines in aller Deutlichkeit gesagt: Der Schriftsteller Franz Kafka hat sich eines juristischen Gerüsts und der Rechtssprache bedient, um sich Möglichkeiten der Artikulation zu eröffnen. Er hat das forensische Sujet in seine surreale Welt transportiert und jeder, der behauptet, Kafka hätte die zeitgenössische Justiz kritisiert oder wäre gar ihr Gegner, der hat ihn nie gelesen oder zumindest nicht verstanden.
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