I Film
Zitat aus Kuchen zwischendurch von Jens Balkenborg in: der Freitag, Ausgabe 47/2018:
Nein, Murer – Anatomie eines Prozesses ist nicht wieder „irgend so ein Nazifilm“. Was Drehbuchautor und Regisseur Christian Frosch da in 137 Minuten durchexerziert, ist historisches Präzisionskino par excellence. Zwei Minuten braucht er für seine Exposition, und damit ist alles gesagt. Danach geht es direkt in den Gerichtssaal, an den Ort der kaum fassbaren Ereignisse um Franz Murer. Dort wird der Schlächter von Vilnius freigesprochen, in Graz im Sommer 1963, in einem bis heute nachhallenden Skandalprozess der postnazistischen Geschichte Österreichs.
Der Film ist als Nr 339 in der Edition Film Österreich des Filmverlages Hoanzl erschienen.
II Regie und Besetzung
Christian Frosch (* 1966 in Waidhofen an der Thaya) ist ein österreichischer Filmregisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent. Aus seiner Filmografie ist zunächst (zum Thema Recht in der Kunst) 1997: Gesches Gift, ein historischer Thriller über Gesche Gottfried, die um 1820 in Bremen 15 Menschen vergiftete) hervorzuheben. Zur Biografie siehe Wikipedia.
Die Premiere der österreichisch-luxemburgischen Koproduktion mit Karl Fischer in der Rolle des Franz Murer und Karl Markovics als Simon Wiesenthal erfolgte am 13. März 2018 im Rahmen des Filmfestivals Diagonale, wo die Produktion als Eröffnungsfilm gezeigt und als bester Spielfilm ausgezeichnet wurde. Der österreichische Kinostart war am 16. März 2018. In Deutschland kam der Film am 22. November 2018 in die Kinos. Im ORF wurde der Film am 6. September 2020 erstmals gezeigt.In weiteren Rollen sind Alexander E. Fennon als Verteidiger Böck, Roland Jaeger als Staatsanwalt Schumann und Mathias Forbergals Richter Peyer zu sehen. Zum Film siehe Wikipedia.
III Handlung
In diesem Gerichtsfilm wird anhand originaler Dokumente der Fall des angesehenen steirischen Politikers und Großbauern Franz Murer nachgezeichnet, der im Zweiten Weltkrieg von 1941 bis 1943 einer der Hauptverantwortlichen für die Tötung der Juden in Vilnius war. 1962 wird Murer aufgrund der juristischen Intervention von Simon Wiesenthal in Österreich dafür vor Gericht gestellt. Überlebende des Holocaust reisen an, um gegen ihn auszusagen. Trotz der erdrückenden Beweislage endet der Prozess 1963 mit einem Freispruch, siehe nochmals zum Film in Wikipedia
Mit einer (Zitat)
nüchternen Inszenierung und einer inneren, fast beiläufig sich anschleichenden Spannung bringt Frosch die historische Unmöglichkeit des Falls Murer in eine filmische Form und seziert sie mit medizinischer Akribie. Der Schrecken liegt in der Sachlichkeit: Murer, dem Fischer die Aura kühlen Teflons gibt, ist ein Mensch. Er hat Kinder, zwischendurch isst er Kuchen. Das ist nicht meine Einstellung, es war die Zeit, es war Krieg, erwidert er einmal während der Verhandlung. Er hat nichts Diabolisches, wird aber gerade dadurch zum Teufel. Und für Frosch zum Vehikel für eine vielstimmige Erzählung, die sich peu à peu zu einem erschütternden Zeitbild zusammenfügt,
siehe nochmals Kuchen zwischendurch von Jens Balkenborg in: der Freitag, Ausgabe 47/2018.
IV Weitere Bearbeitungen
Aus der Biografie von Franz Murer in Wikipedia und dem unten angeführten Artikel ergibt sich ferner, dass der Freispruch zwar am 22. April 1964 vom Obersten Gerichtshof wegen einer Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft aufgehoben wird, jedoch am 24. Juli 1974 das Verfahren gegen Franz Murer endgültig eingestellt wird. Murer wird für seine Mitwirkung am Holocaust nicht weiter belangt. Der umfangreiche Gerichtsakt befindet sich im Steiermärkischen Landesarchiv in Graz. Murer lebte bis zu seinem Tod am 05.01.1994 in Gaishorn am See, Bezirk Liezen.
Der österreichische Historiker Johannes Sachslehner veröffentlichte 2017: Rosen für den Mörder: die zwei Leben des NS-Täters Franz Murer, im Molden/Styria Verlag, ISBN 978-3-222-15006-7.
Von Sachslehner stammt auch der Artikel Wie der "Schlächter von Wilna" davonkam in: Spiegel Geschichte vom 12.03.2018.
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