I Film
Zitate aus dem Filmarchiv Austria:
„Wer nachhaltigen Zweifel am österreichischen Rechtsstaat verkraften kann, sollte diesen hervorragend recherchierten Film nicht versäumen.“ HEINZ PATZELT, AMNESTY INTERNATIONAL GENERALSEKRETÄR ÖSTERREICH
Unter dem Namen Operation Spring ging eine groß angelegte Polizeiaktion in Österreich 1999 in die Geschichte ein. Es war die erste Aktion, die auf den Techniken des „großen Lauschangriffes“ aufbaute, sie führte zu Justizverfahren gegen 120 Personen. Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber hinterfragten mit ihrem gleichnamigen Film die polizeilichen Verfahrens- und Überwachungsmethoden, deckten einige Unstimmigkeiten in der Beweisführung auf und lösten damit eine intensive, landesweite Debatte aus.
Laut Wikipedia-Eintrag kommen im Film viele Beteiligte, die in den Verfahren auf unterschiedlichen Seiten standen, zu Wort. Neben mehreren Angeklagten und deren Anwälten, werden auch Zeugen der Anklage (darunter ein vormals anonymisierter Belastungszeuge, der seine Aussage mittlerweile widerrufen hat), Richter, Geschworene sowie die Menschenrechtsaktivistin Ute Bock, die 1999 in einem von der Polizei gestürmten Flüchtlingsheim arbeitete, interviewt. Mehr als 13.000 Menschen besuchten Operation Spring in den österreichischen Kinos. Der Kinoerfolg von Operation Spring trug dazu bei, dass sechs Jahre nach der gleichnamigen Polizeiaktion abermals eine mediale und politische Debatte zum Thema entfacht werden konnte und zahlreiche Verfahrensfehler und Widersprüche öffentlich debattiert wurden.
Der Film ist als Nr 085 in der Edition Film Österreich des Filmverlages Hoanzl erschienen.
II Regie
Tristan Sindelgruber (* 1966 in Graz) ist seit 1999 im Dokumentarfilmbereich tätig. Er ist Geschäftsführer von Schnittpunkt - Film- und Multimediaproduktion und Projektleiter bei Standbild – Verein zur Förderung audiovisueller Medienkultur. Aus seiner Filmografie sind weitere Dokumetarfilme wie Spiegelgrund (2000) und die siebenteilige Filmreihe Vergessene Opfer (2012) hervorzuheben. Zur Biografie siehe den Eintrag auf der Webseite der Interessengemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm mit weiteren Links zu den erwähnten Filmen.
III Dokumentation
Die Operation Spring war die größte kriminalpolizeiliche Aktion in Österreich in der zweiten Republik. Insgesamt wurden 127 Personen festgenommen. Rund ein Drittel der Festgenommenen musste nach kurzer Zeit wieder freigelassen werden. Einige wurden wegen illegalen Aufenthalts festgenommen und in der Folge aus Österreich abgeschoben. Ein Teil der Massenmedien, allen voran die Neue Kronen Zeitung, berichteten von einem noch nie da gewesenen Erfolg der Polizei im Kampf gegen die organisierte Kriminalität: „Mit Hilfe des ersten großen Lauschangriffs sei es gelungen, die Bosse eines international agierenden nigerianischen Drogenrings festzunehmen“. Vor allem die Wiener Stadtzeitung Falter und einige Publikationen antirassistischer Aktivisten kritisierten die Polizeiaktion sofort nach ihrem Bekanntwerden als rassistisch. Ein großer Teil der betroffenen Afrikaner war zum damaligen Zeitpunkt in der Black Community Wiens aktiv, die nach der Tötung von Marcus Omofuma durch österreichische Polizisten sehr aktiv wurde und selbstorganisiert versuchte, dem aufkeimenden Rassismus etwas entgegenzusetzen. Die Verfahren gegen rund 100 Afrikaner entwickelten sich zu einem der größten Justizverfahren der österreichischen Nachkriegsgeschichte. Fast alle Angeklagten wurden zu teilweise langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Siehe dazu Wikipedia und Bericht des Standard vom 30.03.2000 unter dem Titel Operation Spring: Polizei zieht Bilanz - Vorwurf der Bildung einer kriminellen Organisation hielt vor Gericht nicht.
Zu den Kritikpunkten am Verfahren wurde ensprechend einer Auflistung aus Wikipedia:etwa angeführt:
die „schlechte Qualität“ der akustischen und optischen Aufzeichnungen, die dazu führten, dass Personen auf den Aufnahmen nur schwer oder gar nicht zu identifizieren sind;
Zeugen, die einen Großteil der angeklagten Afrikaner belasteten, traten jedoch vermummt und anonym auf. Sie waren so bekleidet, dass ihre Gesichter durch dunkle Motorradhelme und Skihauben verdeckt wurden. Die Personalien dieser Zeugen wurden gegenüber der Verteidigung ebenfalls nicht preisgegeben. Diese Art der Zeugeneinvernahme wurden mittlerweile durch den Obersten Gerichtshof als unzulässig befunden;
Auch die Rolle des Dolmetschers ... und seine Übersetzungen des Überwachungsmaterials waren der Kritik ausgesetzt. Da der Großteil der Angeklagten auf den Aufnahmen in ihrer Muttersprache Ibo zu hören war, musste ein Übersetzer herangezogen werden. Im Laufe der letzten Verfahren, in dem ein zweiter Übersetzer eingesetzt wurde, stellte sich heraus, dass mehrere für das Verfahren relevante Passagen vom ersten Dolmetscher falsch übersetzt wurden, beziehungsweise auf den Tonbändern nicht aufzufinden waren;
Für Empörung bei den Verurteilten und deren Anwälten sowie Kritikern der Verfahren sorgte die folgende Passage in mehreren Urteilsbegründungen: „[…] Verkauf einer nicht mehr feststellbaren, jedenfalls aber großen Menge Heroin und Kokain, an unbekannt gebliebenen Endabnehmer […]“.
Das Haus der Geschichte Österreichs widmet der Operation Spring einen ihrer 389 Einträge im Digitalen Museum - Lexikon. Walter Sauer als Autor dieses Eintrags führt darin ua aus (Zitat):
Das gerichtliche Nachspiel der Operation Spring wurde vielfach kritisiert, unter anderem wurden beispielsweise Beweisunterlagen falsch übersetzt und vermummte Zeugen eingesetzt. Diese Mängel im Verfahren, der überzogene Ansatz der Operation Spring und der Tod Marcus Omofumas veränderten die Situation Schwarzer Menschen in der Zweiten Republik in verschiedener Weise. Unter den (Austro-) Afrikaner/inne/n selbst kam es zunächst zu einer Phase der Resignation, Bemühungen um politische Selbstorganisation erwiesen sich als schwierig. Gleichzeitig wurden zahlreiche Integrationsprojekte in Bereichen wie Wohnung und Arbeitsmarkt gestartet, aber auch Kurse zur Weiterbildung der Polizei in Bezug auf Rassismus, Verhalten gegenüber afrikanischen Migrant/inn/en usw., die allerdings nur freiwillig absolviert werden konnten. Erfolge scheinen sich erst mittelfristig eingestellt zu haben. 2003 und 2005 waren weitere Todesfälle von Afrikanern in Polizeigewahrsam zu verzeichnen, und die pauschale Kriminalisierung von Schwarzen Menschen hielt noch lange an. Andererseits trugen alle diese Faktoren zu einer intensiven Diskussion über Menschenrechte von Migrant/inn/en und Rechtstaatlichkeit in Österreich bei, die bis heute anhält.
IV Kommentar der Praxis
Einen eindrucksvollen Einblick bietet RA Mag. Josef Phillip Bischof in der im Anwaltsblatt 1/2006 auf den Seiten 12ff erschienenen Abhandlung Operation Spring - Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich aus Verteidigersicht, wenn er zunächst auf den Film Bezug nimmt und (Zitat)
die „Operation Spring“ in der vom Film aufgezeigten Dimension als ernst zu nehmendes Mahnmal zum Thema besondere Ermittlungsmethoden und faires Verfahren – und das angesichts der aktuellen Diskussion in ganz Europa! erachtet
und sodann aus eigener Erfahrung über mediale Vorverurteilung,.Berichte statt Originale
fehlerhafte Berichte, mangelhafte Zuordnungen, unrichtige Übersetzungen, schlechte Qualität der Originale, unbestimmte Anklagen und anonyme Zeugen berichtet und schließlich resümiert (Zitat):
Abschließend bleibt mir – als an einigen Verfahren beteiligter Verteidiger – festzuhalten, dass mich die im Dokumentarfilm zusammengetragenen Facetten der Operation Spring selbst als Beteiligten sehr betroffen gemacht haben. Ein Gesamtüberblick über die Verfahren war für die einzelnen Verteidiger nicht möglich. Weiters sind einzelne Ungereimtheiten (krasse Übersetzungsfehler, Widerruf der Aussage durch einen anonymen Zeugen) erst in Verfahren Jahre nach Abschluss anderer Verfahren hervorgekommen. Welche Schlüsse man auch immer aus dem Dokumentarfilm zieht – gewiss ist für mich jedenfalls, dass die kolportierte „Erfolgsstory Operation Spring“ nur eine kolportierte war und auch zu einer solchen werden musste. Die bei der Einführung heftigst diskutierten besonderen Ermittlungsmethoden wurden aufgrund der positiven Erfahrungen in der Praxis (Operation Spring gilt nach wie vor als der Erfolg für die Anwendung des großen Lausch- und Spähangriffes) diskussionslos in den dauerhaften Rechtsbestand übernommen. Eine neue Diskussion darüber erscheint angezeigt!
V Favorartis Anmerkung
RA Mag.Josef Phillip Bischof schildert in der bereits unter IV zitierten Abhandlung im Anwaltsblatt 1/2006 seine Erinnerung an die erste Hauptverhandlung. wie folgt (Zitat):
Bereits der Gang zum Verhandlungssaal war nicht wie gewohnt. Eine Menschenansammlung im Vorfeld machte es schwierig, überhaupt zum Verhandlungssaal zu gelangen. Die Menschenansammlung entpuppte sich als Großaufgebot an zivilen Beamten und in zivil gekleide- ten Polizeischülern. Ein Teil der Polizeischüler wurde instruiert, bei Annähern der anonymen Zeugen sich möglichst geschickt – also sichtverstellend – vor etwaigen Pressefotografen und sonstigen Schaulustigen zu platzieren, ein anderer Teil der Polizeischüler besetzte den Verhandlungssaal sofort nach dessen Aufsperren bis auf einige wenige Plätze für angekündigte Journalisten.
Hier sticht eine Parallele zum (ebenfalls filmisch dokumentierten) Tierschützerprozess (siehe Der Prozess) ins Auge, wenn einige Jahre später von "der Taktik der Auffüllung von Zuschauerplätzen im Prozess durch Polizeischüler" die Rede ist, "um zu bewirken, dass es interessierten Angehörigen und Medienvertretern nicht mehr möglich war, in den Gerichtssaal zu gelangen".
VI Hinweise zu dieser Webseite
- Die Zitate aus dem Filmarchiv Austria, dem Filmverlag Hoanzl, derfreien Enzyklopädie Wikipedia (zum Film), der Webseite der Interessengemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm, derfreien Enzyklopädie Wikipedia (zur Operation Spring),der Zeitung Der Standard, der Webseite des Hauses der Geschichte und aus dem Anwaltsblatt (mit den jeweils aus der Verlinkung ersichtlichen Quellenangaben) erfolgen im angeführten Umfang zur Erläuterung des Inhaltes der Webseite.
- Personenbezogene Daten ergeben sich aus der Filmbeschreibung und der Zeitgeschiche.