I Kunstwerk
Codo ist ein NDW-Lied der Band Deutsch-Österreichisches Feingefühl (DÖF) aus dem Jahr 1983. Text und Musik stammen von den DÖF-Mitgliedern J**** P**** und M**** T**** sowie der deutschen Sängerin A**** H****; letztere produzierte das Lied auch. Die Single wurde ein Nummer-eins-Hit in Deutschland (fünf Wochen), Österreich, Niederlande und in Belgien und verkaufte sich 1,2 Millionen Mal, mehr Informationen zum Lied in Wikipedia.
Im Wikipedia-Eintrag ist ein Urheberrechtsstreit in Österreich nicht erwähnt.
II Schlagworte und Leitsatz
- Privatrecht – Urheberrecht – Vertragsrecht – Musik
Abmachungen zwischen Miturhebern untereinander und Bearbeitern über den Umfang der jeweiligen Beteiligung am Werk sind zulässig; sie können auch konkludent getroffen werden. Miturheber ist, wer mit den anderen bewusst zum Zweck der Schöpfung des Werkes zusammenarbeitet. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht vorliegt, ist besondere Vorsicht geboten.
III Parteien
Georg J., Künstler in Wien als Kläger und M**** T**** und J**** P****., beide Entertainer in Wien als Beklagte.
IV Sachverhalt
Der Kläger hat vorwiegend im Sommer 1978 ein Lied mit dem Titel Kodo geschaffen. Er trug dieses Lied ab Sommer 1978 und in den folgenden Jahren häufig im Kreis von Freunden und Bekannten vor. Der Refrain des Liedes mit dem Text und ich düse, düse im Sauseschritt.... blieb hiebei immer gleich, der übrige Text wurde häufig variiert; der Kläger hat auch neue Strophen hinzugedichtet. Er trug das Lied im Wesentlichen immer in der gleichen Melodie, jedoch mit verschiedenen Variationen, vor. Der Kläger identifizierte sich weitgehend mit der von ihm in diesem Lied geschaffenen Figur Kodo, einem außerirdischen Wesen; ab 1978 wurde er im Freundeskreis allgemein Kodo genannt.
Anfang 1982 war der Erstbeklagte anwesend, als der Kläger sein Lied Kodo vortrug. Er sagte zum Kläger, man könne dieses Lied vielleicht für eine Plattenproduktion verwenden. Kurz darauf ließ sich der Erstbeklagte dieses Lied und andere Lieder des Klägers von diesem nochmals vortragen und nahm den Vortrag des Liedes auf Tonband auf.
In der Folge schufen die beiden Beklagten gemeinsam mit A**** H*** das Werk Codo und brachten es auf einer Schallplatte heraus; dabei verwendeten sie Teile des vom Kläger geschaffenen Textes. Die Endfassung sowohl des Textes als auch der Musik stammt von A**** H***.
Ein Vergleich des Liedes des Klägers (Kodo) mit dem Lied der Beklagten und der Annette H*** (Codo) ergibt: Bei dem Vorvers, der ein Drittel des Stückes ausmacht, besteht keinerlei musikalische Übereinstimmung. Auch beim Refrain, der zwei Drittel des ganzen Stückes ausmacht, besteht melodisch keine Übereinstimmung. Rhythmisch und metrisch besteht eine Übereinstimmung von 10 %, harmonisch - rein rechnerisch - eine solche von 44,4 %. Das Tempo ist annähernd gleich, was bei dieser Gattung von Musik häufig der Fall ist; man kann hier eine Übereinstimmung von 50 % zugestehen. Das ergibt insgesamt für den Refrain eine Übereinstimmung von 26 %. Nachdem die Beklagten und A**** H*** das Lied Codo fertiggestellt hatten, spielten es die Beklagten - ebenso wie das Lied Josef - am 3. Mai 1983 im Auto des Erstbeklagten dem Kläger vor. Dieser war zunächst wegen der bei dem Lied Codo vorgenommenen Textänderungen sehr ungehalten und erklärte, das sei nicht mehr sein Lied. Insbesondere erregte er sich über den neuen Textteil tötet Codo; dies empfand er als eine gegen ihn gerichtete Morddrohung, weil er sich mit der Figur des Kodo identifizierte. Anschließend kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und den beiden Beklagten im Arbeitszimmer des Zweitbeklagten. Die Beklagten erklärten dem Kläger, dass er am Text der beiden Lieder Codo und Josef mit je einem Viertel als Co-Autor beteiligt werde. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden. Als ihm die Beklagten mitteilten, dass die Musik der beiden Lieder hauptsächlich von A**** H*** geschaffen worden sei und nichts mehr mit dem zu tun habe, was der Kläger gemacht habe, erhob dieser keine Einwendungen. Die Beklagten machten den Kläger aufmerksam, dass er nun AKM-Mitglied werden müsse. Kurz vor der öffentlichen Präsentation der Schallplatte mit dem Lied Codo kam es im Lusthaus im Wiener Prater zu einer Vorbesprechung über diese Präsentation, an der die Beklagten, der Kläger und M**** S*** teilnahmen. Dabei wurde über die vorgesehene Aufteilung der Urheberrechte an dem Werk gesprochen, nach welcher der Kläger nur zu einem Viertel in Ansehung des Textes beteiligt werden sollte; der Kläger erhob auch hiebei keine Einwendungen. Er war auch bei der öffentlichen Präsentation der Schallplatte am 19. Mai 1983 anwesend, bei der er als Miturheber vorgestellt wurde.
Am 20. Mai 1983 fand im Haus des Erstbeklagten ein Fest statt, zu welchem auch der Kläger erschienen war. Bei dieser Gelegenheit legte ihm M**** S*** einen Vertragstext zur Unterschrift vor; der Kläger unterfertigte diesen. Mit dem Vertrag übertrugen die Urheber der Werke Codo und Josef der Firma L*** M*** W*** G*** Musikverlag KG H*** S*** das ausschließliche Verlags-, Vervielfältigungs- und Vertriebsrecht an den genannten Werken. In dem Vertrag ist die Aufteilung der Urheberrechte an den beiden Werken angeführt, und zwar so, dass am Text beider Werke A**** H*** und die Streitteile, an der Musik nur H*** und die beiden Beklagten beteiligt sind, ohne dass die Höhe der Anteile ausdrücklich angeführt wäre.
V Gang des Verfahrens
Standpunkt des Klägers: Mit der Behauptung, er sei zu 50 % Miturheber nicht nur des Textes, sondern auch der Musik des Liedes Codo, begehrt der Kläger von den Beklagten die Rechnungslegung über den aus der Verwertung dieses Musikstückes erzielten Gewinn (Punkt 1), die Herausgabe von 25 % des durch die Verwertung dieses Musikstückes erzielten Gewinnes (Punkt 2 nach Einschränkung ON 42 S. 165) sowie eine angemessene Entschädigung von S 100.000,00 (Punkt 3; S. 165). Bei Unterfertigung des Vertrages vom 20. Mai 1983 sei er erheblich alkoholisiert und in seiner Zurechnungsfähigkeit schwer beeinträchtigt gewesen; den Darstellungen M*** S***, der im Auftrag der Beklagten gehandelt habe, habe er entnommen, er würde nunmehr als Miturheber von Text und Musik des Liedes Codo eine Werknutzungsberechtigung erteilen und dafür honoriert werden.
Standpunkt der Beklagten: Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Das musikalische Werk Kodo des Klägers sei von ihnen nicht benützt worden; der Kläger sei nicht Urheber des musikalischen Werkes Codo. Er habe sich mit einer Beteiligung (nur) in Höhe eines Viertels an der Urheberschaft des Textes einverstanden erklärt. Bei der Unterfertigung des Verlagsvertrages sei er zurechnungsfähig gewesen.
Das Handelsgericht Wien wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und meinte rechtlich, die Beklagten und Annette H*** hätten für ihr Werk Codo, wenn auch nur in recht bescheidenem Ausmaß - nämlich im Umfang von rund 17 % - die vom Kläger geschaffene Musik seines Werkes Kodo verwendet. Dennoch bestünden die eingeklagten Ansprüche nicht zu Recht, weil der Kläger dem Vorschlag der Beklagten über die Aufteilung der Urheberrechte an dem Werk Codo zugestimmt habe; hiedurch habe er auf jene Urheberrechte, die ihm infolge teilweiser Verwendung seiner Musik an dem Werk Codo zugestanden seien, verzichtet.
Das Oberlandesgericht Wien bestätigte dieses Urteil und führte rechtlich aus, dass es richtig sei, dass der Kläger als Miturheber des Werkes Codo - auch was dessen Musik betreffe - anzusehen (§ 11 UrhG) und das Urheberrecht als solches nicht übertragbar sei. Aus den Feststellungen des Erstrichters ergebe sich aber nicht etwa ein - stillschweigender - Verzicht des Klägers auf sein Miturheberrecht, sondern nur seine Zustimmung zum Vorschlag der Beklagten, die Verwertungs(Nutzungs-)rechte an dem Werk so aufzuteilen, daß der Kläger am Text nur zu einem Viertel, an der Musik aber überhaupt nicht beteiligt sein sollte. Ein stillschweigender Verzicht des Klägers auf seinen Anteil an den Verwertungsrechten in Bezug auf die Musik des Werkes Codo sei aber auch bei besonders sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes zu bejahen, denn der Kläger habe einerseits den detaillierten Vorschlägen der Beklagten nicht widersprochen und andererseits nicht auf alle Verwertungsrechte als Miturheber verzichtet. Der Vorschlag der Beklagten erscheine im übrigen im Hinblick auf ihre eigene Mitwirkung und jene A**** H*** am Zustandekommen des Werkes auch nicht als unbillig.
VI Rechtliche Beurteilung des Höchstgerichtes
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatten zwischen den Streitteilen Gespräche über die Aufteilung der Rechte an dem Werk "Codo" stattgefunden; am 3. Mai 1983 erklärte sich der Kläger bei einem Gespräch mit den Beklagten damit einverstanden, dass er als Co-Autor des Liedes "Codo" beteiligt werde, und zwar auf der Grundlage, dass er nur als Urheber des Textes zu einem Viertel behandelt werde. Gegen die Äußerung der Beklagten, dass die Musik hauptsächlich von A*** H*** stamme und mit seiner Komposition nichts mehr zu tun habe, erhob er keine Einwendungen. Diese Absprache muss als Vereinbarung über die Verteilung der Erträgnisse des Werkes Codo angesehen werden. Dass der Kläger beim Abschluss dieses Vertrages nicht geschäftsfähig gewesen wäre, hat er nicht behauptet und geht auch aus den Feststellungen nicht hervor. Der Umstand allein, dass er den Beklagten an geschäftlicher Erfahrung unterlegen war und sich in Dingen der Aufteilung von Rechten nicht ausgekannt habe, beraubt ihn aber nicht der Handlungsfähigkeit, also der Fähigkeit, durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten zu begründen (Koziol-Welser8 I 47). Dass ihn die Beklagten bei den Vertragsgesprächen in Irrtum geführt hätten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass nach ständiger Rechtsprechung Stillschweigen nicht schlechthin als Zustimmung gedeutet werden kann (SZ 37/119 uva) und insbesondere bei Annahme eines stillschweigenden Verzichts besondere Vorsicht geboten ist (SZ 44/106 uva); daraus ist aber für den Kläger nichts zu gewinnen, hat er doch dem Vorschlag, dass er an der Verwertung des Liedes Codo (nur) als Mitautor des Textes zu einem Viertel beteiligt werde, ausdrücklich zugestimmt. Wenn er dann gegen die der Erläuterung dieses Vorschlages dienende Behauptung der Beklagten, die Musik dieses Liedes sei hauptsächlich von A**** H*** geschaffen worden und habe nichts mehr mit seinem Musikwerk zu tun, keine Einwendungen erhob, so muss dies als Zustimmung zu dem Aufteilungsvorschlag der Beklagten gewertet werden. Seinem Stillschweigen kann in diesem Zusammenhang keine andere Bedeutung beigelegt werden, wäre es doch nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte die selbstverständliche Pflicht des Klägers gewesen, sofort darauf hinzuweisen, dass er seine vorherige ausdrückliche Zustimmung nur darauf bezogen habe, dass er als Mitautor des Textes zu einem Viertel berücksichtigt werde, nicht aber dahin, dass er nicht außerdem auch noch als Schöpfer des Musikstückes beteiligt werde. Aus dem Unterlassen von Einwendungen konnten die Beklagten nur auf die Zustimmung des Klägers zu ihrem gesamten Aufteilungsvorschlag schließen. Dass sie sein Verhalten auch tatsächlich so verstanden haben, ergibt sich schließlich aus dem Vertragstext, den M*** S*** nach diesen Gesprächen der Streitteile dem Kläger zur Unterschrift vorgelegt hat. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bestehen keine Bedenken. Abmachungen dieser Art können nicht nur zwischen Miturhebern im Sinne des § 11 UrhG getroffen werden (SZ 31/23; zum deutschen Recht vgl. insbesondere v. Gamm Urheberrechtsgesetz, Rz 16 und 17 zu § 8 dUrhG; Fromm-Nordemann, Urheberrechts-gesetz5 Rz 6 und 7 zu § 8 dUrhG), sondern auch zwischen einem Urheber und solchen Personen, die sein Werk oder einen Teil davon (§ 1 Abs 2 UrhG) bearbeitet (§ 5 Abs 1 UrhG) oder sonst in ihr Werk übernommen haben, wie es hier die Beklagten nach der Behauptung des Klägers getan haben. (Der Kläger ist nämlich - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - deshalb nicht Miturheber des Werkes Codo im Sinne des § 11 UrhG, weil er dieses Werk nicht gemeinsam mit den Beklagten geschaffen, d.h. nicht mit ihren bewusst zum Zweck der Schöpfung des Werkes zusammengearbeitet hat (§ 11 Abs 1 UrhG; v. Gamm aaO Rz 8 und 10; Fromm-Nordemann aaO Rz 2)). Der Kläger hat nicht behauptet, dass er entgegen der Vereinbarung mit den Beklagten an den Erträgnissen der Verwertung des Liedes Codo trotz seiner teilweisen Urheberschaft am Text gar nicht beteiligt werde; er hat sich vielmehr allein darauf gestützt, dass seine Urheberschaft an der Musik unbeachtet bleibe. Da dies aber der Vereinbarung entspricht, haben die Vorinstanzen seine Klage mit Recht abgewiesen.
VII Favorartis Kommentar
Die Single Codo wurde ein Nummer-eins-Hit in Deutschland (fünf Wochen), Österreich, Niederlande und in Belgien und verkaufte sich 1,2 Millionen Mal. Eine erfolgreiche Klage auf Herausgabe von 25 % des durch die Verwertung dieses Musikstückes erzielten Gewinnes hätte zu erheblichen Einnahmen des Klägers geführt. Ein Anteil von 25% wäre bei einem Textanteil von 25% (wie vereinbart) und der 17%igen Verwendung von Musikanteilen des Klägers (wie nicht vereinbart) nicht überzogen gewesen. Diesem angestrebten Gewinnanteil stand der zulässige vertragliche Teilverzicht entgegen. Unterlegenheit in geschäftlichen Angelegenheiten alleine reichte zur Vertragsanpassung nicht hin und Willensmängel konnten nicht beweisen werden. Daher ⇒ kein favor artis für Kodo !
VIII Hinweise zu dieser Webseite
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- Das angeführten Zitat aus Wikipedia (zum Musiktitel Codo) mit Quellenangabe erfolgt im angeführten Umfang zur Erläuterung des Inhaltes der Webseite.
- Personenbezogene Daten, die über die Veröffentlichung im RIS hinausgehen, ergeben sich aus dem Bekanntheitsgrad des Musiktitels Codo.