Michael Kohlhaas

Novelle von Heinrich von Kleist, 1810

I Autor und Werk

Michael Kohlhaas  ist eine Novelle von Heinrich von Kleist. In vollständiger Form wurde sie 1810 im ersten Band von Kleists Erzählungen veröffentlicht. Die Erzählung spielt in der Mitte des 16. Jahrhunderts und handelt vom Pferdehändler Michael Kohlhaas, der gegen ein Unrecht, das man ihm angetan hat, zur Selbstjustiz greift und dabei nach der Devise handelt:

Fiat iustitia et pereat mundus.

Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde.

Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist  (* 10. [nach eigener Angabe] oder 18. Oktober 1777 [laut Kirchenbuch] in Frankfurt (Oder), Brandenburg, Preußen; † 21. November 1811 am Stolper Loch, heute Kleiner Wannsee, Berlin) war ein deutscher Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Publizist.

Zur Biografie siehe  Wikipedia  und die  Website von Günther Emig.

II Handlung und historischer Kohlhaas

Abschnitte II, III und V übernommen aus  Wikipedia

Handlung

Der im Brandenburgischen lebende, angesehene Rosshändler Michael Kohlhaas reist mit zum Verkauf bestimmten Reitpferden nach Sachsen. Unterwegs wird er jedoch an der Burg des Junkers Wenzel von Tronka mit der willkürlichen Forderung nach einem Passierschein aufgehalten. Nachdem Kohlhaas in Dresden feststellt, dass es einen solchen Passierschein nicht gibt, erfährt er bei seiner Rückkehr, dass seine beiden als Pfand zurückgelassenen Pferde durch den Einsatz in harter Feldarbeit abgemagert und damit wertlos geworden sind. Gegen dieses Unrecht reicht Kohlhaas beim Kurfürsten von Sachsen eine Klage ein, die jedoch auf Dringen der Familie von Tronka abgewiesen wird. Weitere Versuche Kohlhaasens, sich Gehör zu verschaffen, enden im Tod seiner Frau.

Enttäuscht darüber, dass er auf juristischem Weg keine Gerechtigkeit erfährt, beginnt Kohlhaas nach dem Verlust seiner Frau einen Rachefeldzug gegen den Junker Wenzel von Tronka. Er überfällt die Tronkenburg und tötet alle Bewohner. Den Junker selbst, der als einziger entkommen konnte, verfolgt er mit einem wachsenden Heerhaufen zunächst bis zum Klosterstift Erlabrunn und schließlich bis nach Wittenberg, das er mehrmals in Brand setzt. Einem Gerücht folgend gelangt Kohlhaas schließlich nach Leipzig, das er ebenfalls anzünden lässt. Infolgedessen kommt es zu einem Gespräch mit Martin Luther, der Kohlhaas zuvor öffentlich verurteilt hat. Nachdem dieser ihm jedoch seine Situation schildert, erwirkt Luther durch eine Bittschrift für Kohlhaas dessen freies Geleit nach Dresden, um die Klage erneut vor Gericht bringen zu können.

In Dresden lebt Kohlhaas zunächst unbehelligt im Schutz des freien Geleits. In der Zwischenzeit haben sich versprengte Reste seines aufgelösten Heerhaufens gesammelt und ziehen raubend und plündernd durch das Land. Ihr Anführer ist Johann Nagelschmidt, der vorgibt, der Statthalter und Vertraute von Kohlhaas zu sein. Tatsächlich aber hatte Kohlhaas diesen wegen verschiedener Gräueltaten hängen lassen wollen. Nur die Entlassung des Haufens aufgrund der Amnestie rettete Nagelschmidts Leben. Kohlhaas kann den Verdacht entkräften, mit Nagelschmidt zu kollaborieren. Bald darauf jedoch bemerkt Kohlhaas, dass er unter Hausarrest steht. Da erreicht ihn ein Bote von Nagelschmidt. Der will ihn aus Dresden befreien und bietet ihm das Kommando über den inzwischen in militärische Bedrängnis geratenen Haufen an. Kohlhaas nimmt dieses Angebot an, jedoch nur, damit er aus Dresden entkommt, um sich „nach der Levante oder Ostindien“ einzuschiffen. Die Behörden haben sowohl die Botschaft als auch die Antwort abgefangen. Dies liefert schließlich den Grund für seine Verhaftung.

Zu der Zeit ersucht der König von Polen, im Streit mit dem Haus Sachsen stehend, den Kurfürsten von Brandenburg, gemeinsam gegen dieses vorzugehen. Nun betreibt der Kurfürst von Brandenburg die Sache von Kohlhaas. Um diesen vor weiterem Unrecht zu bewahren, bietet er ihm einen erneuten fairen Prozess an. Der führt zwar zur Verurteilung des Junkers von Tronka auf Schadensersatz, allerdings wird zugleich auch Kohlhaas wegen Landfriedensbruch zum Tode verurteilt.

Kurz vor der Hinrichtung erfährt der Kurfürst von Sachsen, dass sich Kohlhaas im Besitz einer Zigeuner-Prophezeiung befindet. Diese beinhaltet den Namen des letzten Kurfürsten aus seinem Hause, das Datum, wann er sein Reich verlieren werde und den Namen, durch den das Reich ende. Alle Versuche, ihm diese Prophezeiung abzunehmen, scheitern. Auf dem Schafott verschluckt Kohlhaas schließlich den Zettel mit der Prophezeiung und macht ihn so endgültig unzugänglich für den Kurfürsten, der daraufhin einen Nervenzusammenbruch erleidet.

Der historische Kohlhaas

In seiner Novelle verarbeitete Heinrich von Kleist  die Geschichte von  Hans Kohlhase. Dieser lebte im 16. Jahrhundert als Kaufmann im brandenburgischen Cölln an der Spree. Am 1. Oktober des Jahres 1532 begab er sich auf eine Reise zur Leipziger Messe. Auf dem Weg dorthin wurden ihm jedoch auf Geheiß des Junkers Günther von Zaschwitz (auch: Zaschnitz)  zwei seiner Pferde abgenommen mit der Begründung, er habe sie gestohlen. Kohlhase versuchte, juristisch dagegen vorzugehen. Vergleichsverhandlungen fanden am 13. Mai 1533 auf der Burg Düben statt, führten jedoch zu keiner friedlichen Beilegung des Konfliktes. Ein Grund bestand vor allem darin, dass der Ritter von Zaschwitz inzwischen verstorben war und seine Erben eine angemessene Entschädigungszahlung verweigerten. Aus diesem Grund erklärte Kohlhase 1534 die Fehde und es wird berichtet, dass er Häuser in Wittenberg niederbrannte. Er beging weitere Verbrechen. Schließlich wurde er ergriffen und am 22. März 1540 in Berlin öffentlich hingerichtet.

Heinrich von Kleist  blieb in der Schilderung der Ereignisse jedoch nicht authentisch, da ihm die Untersuchungsakten von 1539 nicht zugänglich waren.

III Printausgaben

Es gibt zahlreiche Printausgaben verschiedenster Verlage, daher (statt vieler):

  • Michael Kohlhaas. Textausgabe mit Kommentar und Materialien, Taschenbuch von Heinrich Kleist, Veröffentlichungsdatum: 16.03.2016  Reclam, Philipp, 978-3-15-019243-6.
  • Michael Kohlhaas (Großdruck), gebundene Ausgabevon Heinrich Kleist, Veröffentlichungsdatum: 05.03.2019, Henricus, 978-3-8478-3053-5.

Darüberhinaus gibt es zahlreiche Ausgaben für den Unterricht, daher (statt vieler):

  • Tilman von Brand, Jörg Scherz: Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Oldenbourg Unterrichtsmaterial Literatur – Kopiervorlagen und Module für Unterrichtssequenzen. Oldenbourg, München 2008, ISBN 978-3-637-00796-3.
  • Tilman von Brand: Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas. Oldenbourg Textnavigator für Schüler – Inhaltsangabe, Analyse des Textes und Abiturvorbereitung. Oldenbourg, München 2008, ISBN 978-3-637-00795-6.

V Adaptionen

Hörspiel- und Hörbuchadaptionen

Im Wikipedia-Eintrag sind vier Hörspiele und vier Hörbücher angeführt. Hervorgehoben sei das gemeinfreie, kostenlos verfügbare und ungekürzte Hörbuch Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist auf  LibriVox.

Verfilmungen

Im Wikipedia-Eintrag sind fünf Verfilmungen angeführt. Hervorgehoben seien

1969: Michael Kohlhaas – der Rebell. Titelrolle: David Warner; Regie: Volker Schlöndorff, siehe  Wikipedia und filmportal.de

2013: Michael Kohlhaas. Regie: Arnaud des Pallières (Titelrolle: Mads Mikkelsen), siehe Wikipedia und filmportal.de

VI Kommentare

Zitat aus der auf der Website Rechtssemiotik von Thomas-Michael Seibert 

An Kohlhaas scheiden sich die Geister. Die literarische Figur des Michael Kohlhaas taugt bis zum heutigen Tage dazu, das Rechts- und Staatsverständnis von Juristen wie Bürgern zu polarisieren. Man muss „sich klarwerden, ob man Kleists Kohlhaas mit Angst um Kohlhaas oder Angst vor Kohlhaas liest (Naucke, in: Textausgabe 2000, 112),

So werden etwa von  Martin Baier  auf  pangloss.de  Fragen gestellt, ob Michael Kohlhaas (Zitat):

  • der in seinen Rechten verletzte Bürger und Rebell ist, der sich gegen die Willkür des Staats zur Wehr setzt“ (Klaus-Michael Bogdahl), nicht für sich, sondern zur Verbesserung der Weltordnung
  • ein Terrorist ist (Horst Sendler) – er wendet Gewalt an, nimmt den Tod Unschuldiger in Kauf, verfügt über Sendungsbewusstsein; allerdings kämpft Kohlhaas nur für sein eigenes Recht und kämpft nicht gegen das System, sondern nur für Personen, die ihn in seinem Recht beschädigt haben
  • ein preußischer Held ist – er verficht sein Recht gegen eine Übermacht und bleibt im Großen und Ganzen ein Ehrenmann, bis zum Tod, dem er gefasst ins Auge schaut
  • ein Muster deutscher Wesensart ist – Kohlhaas ist in der Sache unerbittlich, tapfer, unbeugsam – oder 
  • spießig ist  - genau wie ein deutscher Beamter, humorlos, verbissen, querulantisch und dennoch obrigkeitsgläubig.

In der Reihe Universitätsreden Nr 108,  gehalten in einer Soirée vom 28.05.2015 der Universität des Saarlandes vergleichen Heike Jung am Beispiel des Michael Kohlhaas (einer traurigen Geschichte über das Recht) und Claude Witz  am Beispiel der Plaideurs (der Prozessierenden) von Jean Racine  (einer leichteren Herangehensweise an das Recht in Form der Komödie) zwei berühmte Werke der französischen und deutschen Literatur. Heike Jung  betont, dass (Zitat): 

die besondere Identifikation des Kohlhaas mit dem "deutschen Charakter" relativiert werden muss, wenn man die Popularität dieses Motivs durch die europäische Literatur betrachtet und bedenkt, dass Kohlhaas eine ganze Reihe von Nachfolgern gefunden hat. Zur Kontinuität des deutschen Rechts kommt man auch nicht umhin, festzustellen, dass der Rechtsstaat vom Nationalsozialismus stranguliert wurde. Die Katastrophe ließ ein neues Rechtsstaatskonzept basierend auf den Menschenrechten entstehen, das uns bis in das Alltagsleben sensibilisiert. Die normativen Bestrebungen unserer Tage zeugen vielmehr von einer anderen emanzipatorischen Geschichte des Rechts und der Gerechtigkeit, die einen verantwortungsbewussten Bürger, das Gegenteil von Kohlhaas, erfordert.

VII Hinweise zu dieser Webseite

  1. Die Zitate aus der freien Enzyklopädie Wikipedia (zum Autor und zur Novelle), aus den Websites Rechtssemiotik und pangloss und aus den Universitätsreden der Universität des Saarlandes (mit den jeweils aus der Verlinkung ersichtlichen Quellenangaben) erfolgen im angeführten Umfang zur Erläuterung des Inhaltes der Webseite.
  2. Es besteht die Möglichkeit, eine Textausgabe des Werks auf Gutenberg.DE zu lesen und auf LibriVox  zu hören.
  3. Personenbezogene Daten ergeben sich aus der Literaturbeschreibung sowie aus dem Bekanntheitsgrad des Autors und seines Werks.

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